Castor-Halle

Der offizielle Name für die oberirdische Hallenkonstruktion, in der Castor-Behälter abgestellt werden, lautet Transportbehälter-Lager Gorleben (TBL-G). Castor ist die Abkürzung für „Cask for Storage and Transport of radioactive Material“, es handelt sich also um Behälter zur Aufbewahrung und zum Transport hochradioaktiven Materials.

Zwischenlager Gorleben

Zwischenlager Gorleben

Der Name Castor ist eine gewollte Anspielung auf die griechische Mythologie, den „Retter aus großer Not“. In Wirklichkeit rettet der Castor die Atomwirtschaft aus der peinlichen und unverantwortlichen Lage, nämlich ohne eine gesicherte Atommüllendlagerung trotzalledem ständig Atommüll produzieren zu können, denn das Zwischenlager gilt als Entsorgungsnachweis für den Betrieb der Atomkraftwerke.

Die Aufbewahrungsgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom 2. Juni 1995 gilt bis zum 31. Dezember 2034. Baugleiche Anlagen gibt es in Ahaus und in Lubmin.

Eigentümer der Anlage war die Brennelementlager Gorleben GmbH (BLG), ein Tochterunternehmen der GNS, die sich im Besitz der vier großen Energieversorgungsunternehmen und Atomstromproduzenten befindet. Zum 1. August 2017 ging die Verantwortung auf den Bund über. Alle Mitarbeiter_innen wurden ausnahmslos von der Bundesbehörde, der Bundeszwischenlagergesellschaft (BZG) übernommen. Deshalb ist auch keine Änderung der bisherigen „Sicherheitsphilosophie“ in Sicht.

Bekanntlich haben sich die Atomkraftbetreiber für 24 Milliarden Euro aus der Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls freigekauft. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hatte diesen Deal heftig kritisiert, weil die Kosten für nukleare „Entsorgung“ am Ende ein Vielfaches betragen werden und auf diese Weise auf den Steuerzahler abgewälzt werden.

Atomare Dauerlager – die neue Gefahr

Viele Experten halten den Zeitplan für die Suche nach einem Endlager – Benennung eines Standorts bis 2031, Inbetriebnahme 2050 – für zu optimistisch. Die Frage wird demnach immer drängender: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, dass mit einer Endlagerung von insbesondere hochradioaktiven Abfällen nicht wirklich ab dem Jahr 2050 zu rechnen ist? Wenn rund 1900 Castorbehältern bis zu hundert Jahren zwischengelagert werden müssen, wenn also aus der Zwischenlagerung eine Dauerlagerung wird?

Zunächst erwarten wir von staatlicher Seite, dass sie diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht zieht und umgehend eine kritische Bestandsaufnahme und einen abgestuften Maßnahmenplan für eine langfristige Zwischenlagerung erarbeitet.

Denn bislang kommen kritische Betrachtungen der Probleme, die sich aus einer Dauerzwischenlagerung ergeben, nicht von staatlicher Seite, sondern von einer Umweltorganisation, hier dem BUND, und dem Strahlentelex, der einen Beitrag von Dr. Rainer Moormann veröffentlichte.

Zuständig für die Atommüll-Zwischenlagerung ist seit 1. August nicht mehr die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), sondern der Bund. Dazu wurde eigens die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) gegründet. Doch von dort kommen nur bekannte Töne, denn die Belegschaft der GNS wurde zu 100 Prozent übernommen. Zwar ist mit dem Ex-Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, ein ehemaliger Umweltschützer zum Chef der BGZ ernannt worden. Flasbarth war zwischen 1994 und 2003 Präsident des Naturschutzbundes NABU, bevor er in das Bundesumweltministerium wechselte. Aber mit der neuen Aufsicht in Gorleben werde sich praktisch kaum etwas ändern, sagte Charl Liebich, Sprecher der BGZ, gegenüber dem NDR. Der Atommüll müsse weiter überwacht und gesichert werden.

Umso wichtiger ist es, dass wir auf flagrante Sicherheitsmängel hinweisen. Dazu hat der BUND, wie erwähnt, ein ausführliches Gutachten vorgelegt. Die BI Umweltschutz kann der Autorin des Gutachtens, Oda Becker, nicht in allen Punkten folgen. Richtig ist, dass sich aus einer Lagerung hochradioaktiver Abfälle über die bisher angenommenen 40 Jahre hinaus in allen Zwischenlagern – den kraftwerksfernen wie denen in Ahaus, Gorleben und Greifswald/Lubmin, wie auch den kraftwerksnahen – zwei Aspekte bedeutsam sind: die Alterung und ein Schutz gegen Einwirkung Dritter (gemeint sind zivile Unfälle wie ein Flugzeugabsturz und gezielte Terrorangriffe). Das sieht auch Moormann so.

Oda Becker betrachtet ausführlich den Forschungs- und Nachrüstungsbedarf. Und sie fordert vordringlich für Reparaturen „heiße Zellen“ am jeweiligen Dauerlagerstandort. Das greift unseres Erachtens zu kurz.

Zu unterscheiden wäre aus unserer Sicht viel schärfer zwischen „Zwischenlagerung“ (short term) und Dauerlagerung (long term). Angesichts der noch nicht gelösten Probleme bei der Endlagerung und des nicht absehbaren Termins für deren Beginn müssen wir davon ausgehen, dass eine Dauerlagerung (long term) des Atommülls notwendig ist. Die bisherigen Lagerstätten sind für eine so lange Zeitdauer aber nicht ausgelegt. Die entscheidende Frage ist, ob es möglich ist, sie entsprechend nachzurüsten – oder ob letztendlich neue Zwischenlager gebaut werden müssen.

Die Forderung der BUND-Stellungnahme, an den bestehenden Lagern „heiße Zellen“ für die Reparatur defekter Behälter einzurichten, ist deshalb auf den ersten Blick naheliegend. Rainer Moormann hält sie dagegen nicht für notwendig: Die Deckelsysteme und Dichtungen ließen sich auch im Reparaturbereich eines Lagers reparieren, solange nicht unterstellt wird, dass beide Deckeldichtungen zeitgleich versagen (s. Strahlentelex 10/2017, Beitrag von Dr. Rainer Moormann).

Wir wollen die Gefahr, dass Castorbehälter im normalen Zwischenlager-Betrieb in eine kritische Situation geraten könnten, nicht herunterspielen. Aber unserer Meinung nach ist sie im Vergleich zu der Frage, ob die bisherigen Zwischenlagerhallen Bestand haben oder nicht, als nachrangig zu betrachten. Denn die Sicherheitsfrage stellt sich sofort und ganz dringend, wenn in den Fokus die „Einwirkungen von außen“ wie ein Flugzeugabsturz oder kriegerische sowie terroristische Attacken gerückt werden. Dazu muss man wissen, dass es trotz aller Versuche der kritischen Öffentlichkeit bisher nicht möglich war, eine Flugverbotszone für Zwischenlager durchzusetzen.

Vorrangig ist also die Frage, welches Zwischenlager-Konzept gegen Einwirkungen von außen die größtmögliche Sicherheit bietet. In den USA sollen Atommüll-Behälter zum Schutz gegen Terrorangriffe nicht mehr oberirdisch gelagert werden. Der Forschungsverbund Entria, eingerichtet vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, befasste sich auch mit diesen Modellen, vor allem mit dem niederländischen Konzept, das weitgehend „ausgereift“ ist. Die Entria-Arbeitsgruppe aus Braunschweig hat das niederländische Modell unter die Lupe genommen – siehe https://www.entria.de/fileadmin/entria/Dokumente/Arbeitsberichte/ENTRIA-Arbeitsbericht-01_Appel_Entsorgungsoptionen.pdf (ab S. 69). Diese im Vergleich zum deutschen Zwischenlagerung deutlich unterschiedlichen Sicherheits-Konzepte betrachtet die BUND-Stellungnahme unserer Meinung nach nicht ausreichend.

Bezüglich der Einwirkung Dritter verweist die Autorin Oda Becker selbst auf das Brunsbüttel-Urteil und differenziert zwischen den Lagern in Nord- und Süddeutschland, die in der Tat große Unterschiede aufweisen:

Während die Standort-Zwischenlager in Norddeutschland nach dem sog. STEAG-Konzept errichtet wurden, ähnelt das TBL-Gorleben den Anlagen, die im süddeutschen Raum nach dem sogenannten WTI-Konzept gebaut wurden. Das STEAG-Konzept verfügt über die massivere Bauweise mit Wandstärken von ca. 1,20 m sowie einer Dachdecke mit einer Stärke von ca. 1,30 m. Zum Vergleich: die Stärke der Betonwände eines Atomkraftwerks, die einen „Vollschutz“ gegen einen Flugzeugabsturz gewährleisten sollen, beträgt zwischen 1,50 und 1,80 m.

Wie sieht es in Ahaus und Gorleben aus? Die Wärmeabfuhr aus der Lagerhalle erfolgt ohne jede Filterung mittels Belüftungsöffnungen im unteren Teil der Wände und Entlüftungsöffnungen im Dachbereich. Die Außenwände sind 50 cm dick und verjüngen sich kubisch auf 20 cm. Die Hallendecke in Ahaus und Gorleben beträgt nach unseren Informationen sogar nur 20 cm! In der ESK-Stellungnahme „Stresstest“ war übrigens angegeben, dass bei einer längeren Überschreitung der Schneelast Risse an den Dachbindern entstehen können, die zu Rost führen können. zu Schneelast, Korrosion Dachbinder, S. 141 http://www.entsorgungskommission.de/sites/default/files/downloads/snstresstestteil114032013.pdf

Deshalb heißt das TBL-Gorleben im Volksmund schlicht “Kartoffelscheune”. In unseren Augen ist es zweifelhaft, dass ein solcher Schlichtbau bautechnisch – etwa mit der geplanten zweiten Wand – so weit aufgerüstet werden kann, dass er die Castoren gegen Flugzeugabstürze oder Terrorangriffe schützt. Wir halten es für unumgänglich, dieses Lager außer Betrieb zu nehmen.

In Gorleben gibt es mit der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) sogar die geforderte „heiße Zelle“. Die Expertise des BUND stellt nicht klar, dass diese PKA kein Modell für die geforderte heiße Zelle ist. Diese PKA ist völlig veraltet – leider verliert Oda Becker kein Wort darüber. Zu dieser Frage hat ihr Kollege Wolfgang Neumann eine umfassende Expertise verfasst. Die PKA ist nur auf dem Papier ein „Referenz“- Modell: Sie entspricht nicht dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik. Dies gilt in Bezug auf die elektronischen Systeme und die Pufferlagerkapazitäten. In Bezug auf Störfälle gilt dies auch für einige Sicherheitsnachweise (Erdbeben, langanhaltender Stromausfall, anlageninterner Brand, Absturz eines schnell fliegenden Militärflugzeugs). Außerdem ist die Anlage nicht gegen den Absturz eines Großraumflugzeugs oder gegen Terrorschläge ausgelegt.

Grundsätzlich ist die Dauerlagerung von Atommüll nicht abgetrennt von einer angeblich neuen Endlagersuche zu betrachten. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass das nationale Entsorgungsprogramm ein Eingangslager für die Castorbehälter am mutmaßlichen Endlagerstandort favorisiert. Diese Ambiguität haben wir im Blick, denn der kann aus geologischer und politischer Sicht nicht Gorleben sein. Allen Versuchen, den Salzstock Gorleben weiter im Spiel zu belassen und die Such- und Sicherheitskriterien „wissenschaftlich“ so abzufassen, dass der Standort „geht“, werden wir weiter entschieden entgegentreten.

Aus unserer Sicht ergibt sich ein abgestufter Handlungsbedarf: Ahaus und Gorleben und die WTI-Lager taugen schon jetzt nicht mehr als sichere Zwischenlager (short term) – als Dauerlager (long term) taugen sie keinesfalls. Sogenannte „Härtungen“, wie es so schön heißt, also Nachbesserungen o.ä. (dazu gehört auch die ausufernde Debatte um „heiße Zellen“), lenken von dieser zentralen Forderung ab. Käme es tatsächlich nur zu flüchtigen Nachrüstungen an Anlagen, die in Wirklichkeit heute nicht mehr so gebaut würden: Ein Widerruf der Betriebsgenehmigungen wäre die richtige Antwort!

Worauf müssen wir achten? Wir müssen eine Debatte um die Sicherheit der Lagerstätten führen und dabei Grundsätze und Forderungen formulieren. Die Dauerlager müssen folgende Kriterien erfüllen:

1. Der sicherheitstechnische Zustand der Behälter darf sich für einen Zeitraum über 100 Jahren sich nicht verändern.

2. Sie müssen ein Mehrbarrierensystem gegen mechanische und thermische Einwirkungen besitzen, Redundanz und Robustheit müssen gegeben sein.

3. Die Behälter müssen wirksam vor allen denkbaren Umwelteinflüssen geschützt (Erdbeben, Überflutung, Feuer, Sturm, Starkregen etc.) werden.

4. Sie müssen einen wirksamen Schutz vor terroristischen und kriegerischen Aktivitäten, digitale Angriffe Daten (z.B. „Cyberwar“), bieten.

5. Sie müssen gegen „inneren Bedrohungen“, z.B. den Zusammenbruch von Versorgungsleitungen und gegen Sabotage geschützt sein.

Und natürlich müssen wir darauf achten, dass die Öffentlichkeit nicht übergangen wird, zum Beispiel durch den Verweis auf einen bestehenden Rechtsschutz der Anlagen.

Neben der Informationspflicht der Betreiber tragen Debatten, Einspruchsrechte von Betroffenen, Klagerechte u.a. dazu bei, eine größtmögliche Sicherheit dieser Atomanlagen zu erreichen. Denn wegzaubern lässt sich der Atommüll nicht. Die Menge lässt sich jedoch begrenzen durch einen sofortigen Atomausstieg, der auch die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau einschließt. Dort fällt ohne zeitliche Begrenzung Atommüll an, denn diese Anlagen sind sogar vom Atomausstieg bis 2020 ausgenommen.

Ein Weiterso aber, wie es vonseiten des nun staatlichen Betreibers offensichtlich angestrebt wird, kann und darf es nicht geben.

Weitere Fakten

Die Wärmeabfuhr aus der Lagerhalle erfolgt ohne jede Filterung mittels Belüftungsöffnungen im unteren Teil der Wände und Entlüftungsöffnungen im Dachbereich.

Im Juli 2013 entzog das Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig dem Lager in Brunsbüttel die Betriebserlaubnis, weil bei den Sicherheitsbetrachtungen der gezielte Absturz eines Airbus A 380 und der Einsatz panzerbrechender Waffen nicht hinreichend betrachtet wurden. Die Bürgerinitiative Umweltschutz fordert entsprechende Konsequenzen, unter anderem deshalb die Stilllegung des Zwischenlagers Gorleben, und zwar unabhängig von der politischen Debatte um einen Einlagerungsstopp als Teil des sogenannten „Endlagerkompromisses“, der im Juli 2013 zwischen den Parteien ausgehandelt wurde – allein Die Linke opponierte. Eine Reaktion der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), die jetzt zuständig ist,  oder der Atomaufsicht in Hannover steht aus.

Einlagerungsgenehmigungen

Im TBL Gorleben dürfen maximal 3.800 Tonnen Kernbrennstoff in Form bestrahlter Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren sowie HAW-Glaskokillen (verglaste hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente) in Behältern auf 420 Stellplätzen stehend aufbewahrt werden. Diese Festlegung wurde durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in einer umfassenden Neugenehmigung im Juni 1995 getroffen.

Seitdem wurden weitere Änderungsanträge zum TBL Gorleben bearbeitet: Für die weitere Rückführung der HAW-Glaskokillen von der COGEMA in Behältern der Bauart CASTOR HAW 20/28 CG sind Änderungen wie z.B. die Verbesserung der Neutronenabschirmung durch die Vergrößerung der Moderatormasse in der Wandung der Behälter der Bauart CASTOR HAW 20/28 nötig gewesen. Am 18.01.2002 hat das BfS zuletzt die 2. Änderungsgenehmigung für das TBL Gorleben erteilt. Dies erlaubte die Beladung und die Einlagerung von 12 Behältern CASTOR HAW 20/28 im November 2002.

Geschichte des TBL-G

Um den ersten Transport von hochradioaktivem Atommüll in das Zwischenlager Gorleben wurde lange gerungen. Die Betonhalle war seit 1983 betriebsbereit, stand aber leer. Mehrere Einlagerungsversuche sind u.a. wegen erheblichen Protesten der Bevölkerung gescheitert.

Elfeinhalb Jahre konnte so die Einlagerung von hochradioaktiven, abgebrannten Brennelementen verhindert werden. Am 25. April 1995 wurde der erste Castor von 16.000 Polizisten gegen den Widerstand weiter Bevölkerungskreise nach Gorleben transportiert.

Seit Ende Mai 1995 darf auch hochaktiver, verglaster Müll aus der Wiederaufarbeitung (in Form von Kokillen) eingelagert werden. In diesem Zuge wurde die Kapazität von 1.500 t Müll auf 3.800 t bei gleicher Grundfläche erhöht. Wie unverantwortlich das war, zeigt die Debatte um die Strahlenbelastung (siehe 2011).

Ein erster Kokillentransport folgte am 8. Mai 1996. Diesmal traten 18.000 Beamte an, um den Transport durchzusetzen.

Vorläufiger Höhepunkt war schließlich die Anlieferung eines “Sixpack” (sechs Behälter zu einem Transportvorgang gebündelt) Anfang März 1997. Die Kosten für den Polizeieinsatz – 30.000 Beamte waren unterwegs – summierten sich auf 111 Mio. DM.

Pläne, weitere CASTOR-Behälter über den Bahnhof Arendsee in Sachsen-Anhalt anzuliefern scheiterten am anhaltenden Widerstand der Bevölkerung – dieser Umweg musste gewählt werden, weil eine Bahnbrücke bei Seerau / Hitzacker sich für die tonnenschwere Last der Behälter als nicht mehr tragfähig erwies.

Demo in Gorleben

Demo in Gorleben

1998 verfügte die damalige Umweltministerin Angela Merkel einen Transportestopp, wegen der Kontamination der Oberfläche von Castor-Behältern. Erst im März 2001 erreichten erneut Transporte das Wendland – jetzt übernahm Rot-Grün das „Kommando“ für 6 Castoren mit Glaskokillen, ganz staatsmännisch gab sich Jürgen Trittin (Grüne), die Verträge mit Frankreich über die Rückführung des Mülls aus der Wiederaufarbeitung müssten eingehalten werden, seinen Parteimitgliedern wollte er sogar untersagen, sich an Protesten zu beteiligen.

Im November 2001 folgte schließlich im Schatten des 11. September ein weiterer Transport.
Wegen der hohen Belastung der Polizeikräfte und den hohen Kosten wurde in politischen Reihen über eine noch stärkere Bündelung der Transporte diskutiert. Seitdem wurden 12 bzw. 11 Behälter in einem Konvoi angeliefert.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat am 23.05.2007 die 3. Änderungsgenehmigung für das Transportbehälterlager in Gorleben erteilt. Die Genehmigung erlaubt im Zwischenlager Gorleben zukünftig die Nutzung der neuen Behälterbauart TN85 für die Aufbewahrung von hochaktiven Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung.

Der neue französische Transport- und Lagerbehälter TN85 ist für eine maximale Wärmeleistung von 56 kW bei Beladung mit 28 HAW-Glaskokillen genehmigt. Die Prüfungen des BfS hätten ergeben, dass bei der jetzt genehmigten Behälterbauart durch ange­passte Abschirmung und verändertes Design auch bei höherem Inventar dieselben Werte für die mittlere Oberflächendosisleistung wie bei den bisher eingesetzten deutschen Castorbehältern eingehalten werden und die erhöhte Wärmeleistung sicher abgeführt werden kann.

Die Genehmigung der neuen Behälterbauart TN85 führe überdies zu keiner Erhöhung des bereits genehmigten Gesamtinventars an Kernbrennstoffen sowie der Gesamtwär­meleistung des Transportbehälterlagers in Gorleben.

Im November 2008 wurden erstmals neue Behältertypen TN 85 französischer Bauart eingesetzt. Andere Verfahren in der Wiederaufarbeitung, die höhere Strahlung des Mülls bedeuten, machten neue Behälter notwendig. Während des Transports wurden von Greenpeace die 500fache Erhöhung der Neutronenstrahlung gemessen. Das veranlasste die Verantwortlichen, dem Begleitpersonal die Direktive auszusprechen, nicht näher als 6 Meter an die Behälter heran zu dürfen.
Wegen fehlender Behältertests konnte 2009 erneut kein Transport aus La Hague nach Gorleben stattfinden.

Strahlenmessungen am Zaun Zwischenlager Gorleben

Strahlenmessungen am Zaun Zwischenlager Gorleben

Im Vorfeld des Castortransports 2011 kam es zu einer Grenzwerte-Debatte. Am 26. August 2011 berichtete der NDR erstmals davon, dass nach der Auswertung der routinemäßigen Strahlenmessungen des Niedersächsischen Umweltministeriums (NMU) aus dem ersten Halbjahr 2011 der Strahlengrenzwert am Zaun des Zwischenlagers Gorleben von 0,3 mSv voraussichtlich zum Ende des Jahres 2011 überschritten sein wird. Nach weiteren Messungen gab der Betreiber GNS Entwarnung, die Genehmigung für den Castor wurde erteilt. Unsere Wissenschaftler warnen davor, dass nur wegen Rechentricks eine Grenzwerteinhaltung ermöglicht wurde, nach unseren Messungen und Interpretationen diese allerdings schon seit Jahren nicht mehr eingehalten werden können. Und das bei einem Zustand, wo das Lager gerade mal zu 1/4 gefüllt ist.

Übersicht Einlagerungen

In das TBL sind bestrahlte Brennelemente und hochradioaktive Abfälle (Glaskokillen) aus der Wiederaufarbeitungsanlagae La Hague eingelagert:

Behälter-Typ
Anzahl
Herkunft
Einlagerungszeitpunkt
CASTOR IIa
1
AKW Phillipsburg
04/1995
CASTOR TS28V
1
WAA La Hague
05/1996
CASTOR Ic
1
AKW Gundremmingen
03/1997
CASTOR V/19
3
AKW Neckarwestheim
03/1997
CASTOR HAW 20/28 CG
2
WAA La Hague
03/1997
CASTOR HAW 20/28 CG
6
WAA La Hague
03/2001
CASTOR HAW 20/28 CG
6
WAA La Hague
11/2001
CASTOR HAW 20/28 CG
12
WAA La Hague
11/2002
CASTOR HAW 20/28 CG
12
WAA La Hague
11/2003
CASTOR HAW 20/28 CG
12
WAA La Hague
11/2004
CASTOR HAW 20/28 CG
12
WAA La Hague
11/2005
CASTOR HAW 20/28 CG
12
WAA La Hague
11/2006
CASTOR TG 85
11
WAA La Hague
11/2008
CASTOR HAW 28M (10) und TN 85 (1)
11
WAA La Hague
11/2010
CASTOR HAW 28M
11
WAA La Hague
11/2011
SUMME
113

Kosten für Castor-Transporte

Die Kosten für die 13 Castor-Transporte, die von 1995 bis 2011 nach Gorleben transportiert wurden, summieren sich auf 361,9 Millionen Euro. Bezahlen musste das Land Niedersachsen, das sich nicht bemühte, von den Atommüllproduzenten sich die Kosten für die „polizeiliche Sicherung“ der Transporte bezahlen zu lassen.

Resümee:

  • Im Zwischenlager wurden bisher bestrahlte Brennelemente aus Atomkraftwerken und hochradioaktive Abfälle (Glaskokillen) aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague eingelagert, insgesamt lagern in Gorleben 113 Behälter (Stand 2011).

Ab 2015: Castoren aus Sellafield? Denkste!

Castor in Gorleben, Bild: publixviewing

Castor in Gorleben, Bild: publixviewing

Die Rückführung von maximal 21 CASTOR-Behältern mit HAW-Kokillen aus der englischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield war ab 2015 geplant. Darüberhinaus ist die Einlagerung mittelaktiver Abfälle aus La Hague in 5 Castoren beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt.

Im Rahmen der Verhandlungen zum Standortauswahlgesetz (StandAG) gab Umweltminister Peter Altmaier (CDU) im April 2013 bekannt, die Castortransporte nach Gorleben zu stoppen. Die verbleibenden Behälter sollten auf andere Zwischenlager verteilt werden. Die Unterhändler der Regierungsparteien, der SPD und der Grünen hatten die „Lösung“ dieser Zusage jedoch auf das Jahr 2014 vertagt, weil sich kein unionsgeführtes Land bereit fand, sich für die Zwischenlagerung der Castoren stark zu machen. Die „Lösung“ ist nun, die Behälter bis 2020 auf vier Standorte zu verteilen: Genannt wurden Isar (Bayern), Brokdorf (Schleswig-Holstein), Biblis (Hessen) für die Behälter aus Sellafield und Philippsburg (Ba-Württemberg) für den verglasten Müll aus La Hague. Plötzlich gibt es dafür – ganz im Gegensatz zu der Argumentation zuvor, dass völkerrechtlich bindende Verträge eingehalten werden müssen – gar keine Eile mehr, die Behälter kämen dann mit 5 Jahren Verzug.

Wolfgang Ehmke, 23.12. 2017