Atomkraftgegner klagen vor Gericht
Vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg kam es am 17. Juni gleich zu einem Verhandlungsdoppelpack wegen des Demo-Geschehens im Castorjahr 2006. Ab 9.45 Uhr drehte es sich um einen Zwischenfall am 11.11.2006 in Metzingen (Aktenzeichen VG Lüneburg 3A 75/07).
Die Parole „Gorleben brennt uns unter den Nägeln“ hatten einige Demonstranten ziemlich wörtlich genommen, es brannten mehrere Strohfeuer auf der Straße „An der Bundesstraße“. Bei einer anschließenden Polizeiaktion wurde das Grundstück des Klägers Peter-Wilhelm T., ca. 500m vom ursprünglichen Ort des Geschehens entfernt, in Mitleidenschaft gezogen. Der Zugführer habe den Befehl: „Hof stürmen“ gegeben, heißt es in der Klageschrift. Die Polizeidirektion Lüneburg hingegen spielt den Vorfall in der Klageerwiderung herunter: das Betreten des Hofes sei zufällig gewesen.
Der Landwirt sieht die Stürmung seines Anwesens als unrechtmäßig an: „Als Bauer, der in die Zukunft denkt, sehe ich es als meine Pflicht, gemeinsam mit vielen Gästen gegen nicht wiedergutzumachenden Schaden einzutreten. Wenn ein großer Trupp bewaffneter Beamter im Laufschritt in meinen Hof einfällt, Schläge austeilt, Bänke und Tische umstürzt und Suppe verkippt, dann wird nicht nur meine Familie Angst und Schrecken ausgesetzt. Dann steht auch zu befürchten, dass mein Betrieb mit lebenden Tieren großen Schaden nimmt. Das kann ich nicht hinnehmen.“
Pikante Randgeschichte: Bei dieser Hofstürmung hatte zumindest ein Beamter seine Waffe griffbereit, er trug sie vermutlich im offenen Holster. Diese Waffe ging ihm beim Laufen verloren. Sie wurde von Demonstranten gefunden und der Polizei später durch eine Anwältin zurückgegeben. „Den Findern der Waffe war es wichtig, ihr Entsetzen über den Verlust einer Waffe bei diesem demonstrativen Geschehen zu betonen und mit der Rückgabe ihre Friedlichkeit und ihren Willen zur Deeskalation Ausdruck zu verleihen.“ Sie verlangten von der Polizei, dass sie diese Geste zur Kenntnis nimmt und im Verlauf der weiteren Proteste mit Augenmaß agiert, heißt es in dem Schriftsatz der Hamburger Rechtsanwältin Karen Ullmann.
Weitere Pikanterie des Verfahrens: die Akten wurden zunächst nur mit vielen Schwärzungen überreicht. Erst nach Intervention des Gerichts wurden einige geschwärzte Textstellen preisgegeben. Aus ihnen ging hervor, dass die Polizei Ingewahrsamnahmen größeren Ausmaßes plante, diese jedoch aufgrund von Koordinationsschwierigkeiten unterließ.
Gleich im Anschluss war die zweite Verhandlung anberaumt: Es geht um die Behinderung anwaltlicher Arbeit anlässlich einer Blockadeaktion. Atomkraftgegner hatten am 12. November 2006, ebenfalls anlässlich des X. Castortransports nach Gorleben, mit einer Betonpyramide in Langendorf die nördliche Transportstrecke blockiert. Die herbeigerufenen Anwälte wurden gewaltsam durch Polizisten von ihren Mandanten getrennt und festgenommen. Vor dem Amtsgericht Dannenberg hatten die Anwälte bereits erfolgreich gegen ihre Freiheitsentziehung geklagt. Vor dem Verwaltungsgericht monieren sie nun, dass sie in ihrer Berufsausübung gehindert wurden (Aktenzeichen VG Lüneburg 3A 58/07).
Über den Ausgang der Verhandlungen berichten wir umgehend.
Wolfgang Ehmke