Das ungelöste Problem der Endlagerung

Bereits im Jahr 2004 wurde das US-amerikanische Projekt eines atomaren Endlagers vorläufig gestoppt: Ein US-amerikanisches Gericht bemängelte in seinem Urteil über die Pläne, hochradioaktiven Müll im Yucca Mountain in Nevada einzulagern, die von der US-Regierung abgegebene Sicherheitsgarantie für 10.000 Jahren. Diese sei unzureichend.

Die Halbwertszeit von Plutonium-239 beispielsweise beträgt 24.400 Jahre. Das bedeutet, daß beispielsweise von den 30 Tonnen Plutonium, die im deutschen Hanau gelagert sind, nach 24.400 Jahren immer noch 15 Tonnen weiterstrahlen. Und nach 48.800 Jahren sind es immer noch 7,5 Tonnen und so fort. Seit Christi Geburt lebten rund 80 Generationen – ein Zeitraum von 24.000 Jahren entspricht rund 960 Generationen.

Eine „Sicherheitsgarantie“ für 10.000 Jahre abgeben zu wollen, ist grenzenloser Hochmut. Es mag zwar sinnvoll erscheinen, angesichts der Zeiträume, über die große Mengen der bis heute angefallenen radioaktiven Stoffe äußerst gefährlich bleiben, eine Sicherheitsgarantie für eine Million Jahre oder mehr zu fordern. Dennoch ist es sinnlos und zwecklos. Zurück zum Beispiel Hanau: Selbst nach 366.000 Jahren strahlt von den heute vorhandenen 30 Tonnen immer noch ein Kilogramm. Und wenige Tausendstel Gramm dieses Stoffes einzuatmen genügt, um unausweichlich Lungenkrebs zu bekommen.

Wie Analysen der hochradioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken zeigen, tragen Isotope wie etwa Jod-129, Technetium-99, Zirconium-93, Niob-94, Uran-233, Cäsium-135, und insbesondere Neptunium-237 sogar nach mehr als einer Million Jahren noch erheblich zur Strahlenbelastung des Atommülls bei. Laut einem Gutachten der Universität Bremen ist radioaktiver Müll, selbst nachdem er in Glasblöcke eingeschmolzen wurde, noch nach einer Million Jahren und in zehn Metern Entfernung so gefährlich, daß allein seine Gammastrahlung eine Jahresdosis bewirkt, die 250- bis 560-mal höher ist, als es der Grenzwert der Strahlenschutzverordnung erlaubt. Das Governing Council der UNO spricht nicht ohne Grund von mindestens 20 Millionen Jahren, innerhalb derer hochradioaktive Abfälle strikt von der Umwelt ferngehalten werden müssen.

Ein Gedankenexperiment: Gehen wir der Einfachheit halber lediglich von einer Million Jahren aus. Um ein atomares „Endlager“ in dieser Zeit auch nur von zwei Beschäftigen permanent über- und bewachen zu lassen, sind rund 17,6 Milliarden Arbeitsstunden notwendig. Bei Lohnkosten von 20 Euro pro Stunde und Beschäftigten, entstehen Personalkosten von insgesamt rund 400 Milliarden Euro.

Die ältesten bekannten Keilschriften hinterließen die Sumerer vor 5.000 Jahren – dies entspricht rund 200 Generationen. In 8.000 bis 12.000 Jahren spätestens wird der heutige Sprachschatz komplett verloren sein. Niemand wird mehr die Warnschilder vor atomaren „Endlagern“ entziffern können. Als „Lösung“ dieses Problems wurde schon ernsthaft vorgeschlagen, eine spezielle Priesterkaste zu begründen, um das Wissen um die Gefährlichkeit der „Endlager“ zukünftigen Generationen zu übermitteln. Allein diese Überlegungen müßten jeden verantwortungsbewußten Menschen überzeugen, daß das Betreiben von Atomkraftwerken ein Verbrechen ist.

Jahr für Jahr kommt allein in Deutschland rund 400 Tonnen hochradioaktiver Müll in Form von abgebrannten Brennstäben aus Atomkraftwerken zusammen. Noch 1967 ließ die damalige Bundesregierung zu, daß rund 100 Fässer mit Atommüll vor Madeira in den Atlantik gekippt wurden. Bis zum Jahr 2007 häufte sich in Deutschland ein Berg von 12.500 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennelemente und 120.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Müll auf.

Hinzu kommen 80.000 Liter strahlende und wärmeentwickelnde, radioaktive Flüssigkeit, die „Atomsuppe“ in der sogenannten Versuchs-Wiederaufarbeitsungsanlage Karlsruhe. Die nach der experimentellen Separierung von Brennstäben aus Atomkraftwerken zurückgebliebene „Atomsuppe“ enthält 504 Kilogramm Uran und 16,5 Kilogramm hochgiftiges Plutonium als Einlage. Sie dümpelt hinter drei Meter dicken Stahlbetonwänden vor sich hin und muß permanent gekühlt werden, da sie sich durch radioaktive Spaltprozesse selbst erhitzt und hoch explosiv ist. Kühlung und Bewachung kosten Tag für Tag immense Summen und treiben die Kosten um so höher, je länger sich die geplante Verglasung hinauszögert. Drei Notstromsysteme werden dafür vorgehalten, damit verhindert werden kann, daß die radioaktive Flüssigkeit „kritisch“ wird. Die offiziellen Schätzungen der Kosten für die Beseitigung dieser mittlerweile 19 Jahre alten atomaren Hinterlassenschaft verantwortungsloser Zauberlehrlinge mußte Jahr für Jahr erhöht werden und liegt mittlerweile bei 2,6 Milliarden Euro.

Seit Juni 2005 dürfen laut Atomgesetz keine abgebrannten Brennelemente mehr zur „Wiederaufarbeitung“ ins Ausland verbracht
werden. Entsprechend mußten neue Zwischenlagermöglichkeiten geschaffen werden. Insgesamt gibt es in Deutschland 16 Zwischenlager. Davon sind 12 in den vergangenen Jahren an AKW-Standorten neu eingerichtet worden. Die radioaktiven Abfälle werden darin in CASTOR-Behältern gelagert, die nach offiziellen Angaben gerade einmal 40 Jahre lang dichthalten sollen.

Diese Zwischenlager sind nicht als Bunker sondern als einfache Hallen gebaut, da im Falle eines Einsturzes die Luftkühlung der sich infolge anhaltenden Kernzerfalls gefährlich erwärmenden CASTOR-Behälter noch funktionieren soll und dies bei leichten Hallentrümmern eher gewährleistet ist. Diese Leichtbauweise erhöht jedoch die Gefahr, daß bei einem terroristischen Angriff nach dem Beispiel des 11. September 2001 große Teile des radioaktiven Inventars freigesetzt werden. Dabei kann es sich um ein Vielfaches der beim Atombombenabwurf auf Hiroshima freigesetzten Menge an Radioaktivität handeln.

Bis zum Jahr 2030 wird der Atommüllberg Dank eines deutschen „Atom-Ausstiegs“, der den Betrieb von Atomkraftwerken mit einer unbefristeten Laufzeit von mindestens 35 Jahren garantiert, auf über 24.000 Kubikmeter allein an hochradioaktivem Material angewachsen sein – so denn nicht zuvor eine Katastrophe eintritt oder dem Wahnsinn Einhalt geboten werden kann.

Ein Atomkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1.300 Megawatt produziert jährlich rund 30 Tonnen und in 35 Jahren Betriebsdauer demnach rund 1.000 Tonnen hochradioaktiven Abfall. Weltweit entstehen in den etwa 440 Atomkraftwerken schätzungsweise 8.300 Tonnen hochradioaktiver Atommüll pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen Betriebszeit von 25 Jahren hinterläßt diese Generation von Atomkraftwerken rund 200.000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll sowie ein Vielfaches dessen an schwach- und mittelradioaktivem Müll.

1969 erklärte der deutsche Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker: „Dieses ist, soweit ich sehen kann, wenn man es ernstlich behandeln will, überhaupt kein Problem. Ich habe mir in Karlsruhe sagen lassen, daß der gesamte Atommüll, der in der Bundesrepublik im Jahr 2000 vorhanden sein wird, in einen Kasten hineinginge, der ein Kubus von 20 Meter Seitenlänge ist. Wenn man das gut versiegelt und verschließt und in ein Bergwerk steckt, dann wird man hoffen können, daß man damit dieses Problem gelöst hat.“ Und elf Jahre zuvor, 1955, hatte der Physik-Nobelpreisträgers Werner Heisenberg frohgemut verkündet: „Was schließlich den Atommüll betrifft, so genügt es durchaus, ihn in einer Tiefe von drei Metern zu vergraben, um ihn vollkommen unschädlich zu machen.“

Der Atommüll muß für mehrere Million Jahre sicher von der Biosphäre, von Menschen, Tieren und Pflanzen abgeschirmt werden. Dies ist realistisch betrachtet eine unlösbare Aufgabe. Bei einer unterirdischen Lagerung besteht die Gefahr, daß der Atommüll über kurz oder lang mit Grundwasser in Berührung kommt. Der Geologe Professor Eckard Grimmel zeigt in seinem Buch ‚Kreisläufe der Erde‘ auf, daß es in Folge von Gesteins- und Wasserkreisläufen nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nur eine Frage der Zeit ist, bis die Biosphäre mit kurz- und langlebigen Nukliden verseucht wird.

Auch die U.S. National Academy of Sciences stellte schon 1983 fest, daß „praktisch das gesamte Jod-129 [Halbwertszeit 15,7 Millionen Jahre] in nicht wiederaufgearbeitetem bestrahltem Brennstoff in Endlagern in Naßgestein irgendwann einmal in die Biosphäre eindringt.“

Daß ein sicheres atomares Endlager aus heutiger wissenschaftlicher Sicht nicht möglich ist, stellte bereits der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Deutschen Bundesregierung – personell noch in der Besetzung aus der Regierungszeit Bundeskanzler Kohls – in seinem ‚Umweltgutachten 2000‘ fest:

„Eine Abschätzung des Gefährdungspotentials über einen derartig langen Zeitraum [von über 10.000 Jahren, d. Verf.] hinweg ist nahezu ausgeschlossen. (…) Der Umweltrat hält aufgrund der Charakteristiken bestrahlter Brennelemente und der darin begründeten, in weiten Teilen ungelösten Entsorgungsprobleme eine weitere Nutzung der Atomenergie für nicht verantwortbar.“

Morsleben, Schacht Konrad, Asse II und Gorleben

Die Regierung der DDR bestimmte in der 1960er Jahren das ehemalige Kali- und Salzbergwerk Morsleben in der Nähe von Helmstedt an der Grenze zur BRD zum atomaren Endlager. Ein Langzeit-Sicherheitsnachweis wurde von den DDR-Behörden nicht als notwendig erachtet. Gegen das vermeintliche Endlager Morsleben hatte Angela Merkel, Physikerin und damalige „Umwelt“-Ministerin unter Bundeskanzler Helmut Kohl, nach dem Zusammenbruch der DDR keine Einwände erhoben. Aus westdeutschen AKW wurden weitere tausende Kubikmeter radioaktiver Müll eingelagert. Mittlerweile ist unstrittig, daß dieses Bergwerk nicht als atomares Endlager taugt. 1998 stoppte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg die weitere Einlagerung in Morsleben. WissenschaftlerInnen hatten Merkel bereits 1996 ausdrücklich vor der unterirdischen Lagerung von Atommüll in Morsleben und einer daraus resultierenden radioaktiven Verseuchung des Grundwassers gewarnt. Merkel informierte die Öffentlichkeit damals nicht über diese Bedenken, sondern ordnete an, „weiterhin kostengünstig Atommüll aus Westreaktoren ins Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt zu verkippen.“

Bis 1998 wurden in Morsleben knapp 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Müll eingelagert. Im Jahr 2001 wurde bekannt, daß tonnenschwere Brocken sich von der Decke der Stollen lösen und auf die Atommüll-Fässer zu fallen drohen. Die Einlagerungskammern mußten umgehend mit Salz verfüllt werden. Seitdem ist das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) dafür zuständig, den Einsturz des Bergwerks Morsleben zu verhindern. Doch für ein geeignetes Verfahren, um das gesamte Bergwerk dauerhaft dicht zu machen, gibt es bis heute kein Konzept. Die Kosten für die abschließenden Arbeiten, die sich auf insgesamt 2,2 Milliarden Euro belaufen dürften, werden den SteuerzahlerInnen aufgebürdet.

Das Versuchs-Endlager Asse II

Das ehemalige Kali- und Salz-Bergwerk Asse II wurde ab 1965 von der Bundesregierung als Versuchs-Endlager eingerichtet. Es diente nach offiziellen Angaben dem Zweck, die Einlagerung von radioaktivem Müll in Salz zu testen und so letztlich den Beweis für die Tauglichkeit des Salzstocks Gorleben als atomares Endlager zu liefern. Das im Jahr 1964 stillgelegte Bergwerk wurde von der Bundesregierung für 600.000 DM angekauft und dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KFK) und der Gesellschaft für Strahlenschutz (GFS) – später: Helmholtz-Zentrum München – als Atommüll-Lager und Experimentierfeld überlassen.

Im Gegensatz zur Mehrheit der GeologInnen in anderen Ländern der Welt erachteten WissenschaftlerInnen der Bundesanstalt für Bodenforschung die in Norddeutschland häufig vorkommenden unterirdischen Salzvorkommen als ein geeignetes Material, um radioaktiven Müll einzuschließen. So wurde über Jahre hin bedenkenlos radioaktiver Müll im Versuchs-Endlager Asse II versenkt. Nach den Angaben der Betriebsbücher, die sich mittlerweile als äußerst unzuverlässig erwiesen haben, wurden in Asse II bis 1979 insgesamt rund 126.000 Fässer Atommüll eingelagert. Das radioaktive Inventar stammte überwiegend aus kommerziell betriebenen Atomkraftwerken, des weiteren aus den Atomforschungszentren, aus Atommüllsammelstellen und auch von der Bundeswehr. Es wurden skrupellos auch undichte und korrodierte Fässer eingelagert, flüssige Abfälle, Rückstände von Pestiziden, Tierkadaver und giftige Schwermetalle, so etwa mehrere Tonnen Blei, sowie hochgiftiges Quecksilber und Arsen. Über die Menge des eingelagerten ultragefährlichen Plutoniums schwanken die Angaben zwischen 9 und 24 Kilogramm.

Im Jahr 2007 wurde bekannt, daß bereits seit 1988 Wasser in die Stollen von Asse II eindringt. Der Zufluß hat sich auf insgesamt zwölfeinhalb Kubikmeter pro Tag ausgeweitete. Über Jahre hin war die Tatsache von Seiten des Betreibers geleugnet worden. ExpertInnen des industrienahen ‚Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit‘, hatten beharrlich behauptet, die Langzeitsicherheit von Asse II sei gewährleistet und ein ehemaliges Salzbergwerk sei „absolut sicher“. Dabei war damals bekannt, daß die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III bereits abgesoffen waren. Von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben. Und einer der Gründe, warum der Vorbesitzer des Bergwerks Asse II 1964 die Salzförderung aufgegeben hatte, war das Fehlen eines Fluchtwegs „im Falle eines größeren Wassereinbruchs.“

Die Lauge sammelte sich in den Stollen von Asse II und wurde über Jahre hin vom Betreiber ohne Genehmigung in tiefer gelegene Stollen gepumpt und in andere Bergwerke in Niedersachsen geschafft. Die aggressive Salzlauge greift die Fässer bei Kontakt an und verursacht eine Korrosion des Metalls. Binnen weniger Jahrzehnte können so radioaktive Partikel mit dem Wasser durch den Gebirgsdruck nach oben dringen. Die wasserführenden Schichten oberhalb der Asse-II-Stollen reichen von Hildesheim bis Magdeburg und vom Harz bis Lüneburg.

Noch 1985 behauptete die GFS in einer Broschüre, daß „ein Wasserzutritt in das Salzbergwerk Asse im höchsten Maße unwahrscheinlich“ sei.

In einem für das Bundesumweltministerium erstellten Statusbericht wurde im Sommer 2008 festgestellt, daß Asse II einsturzgefährdet ist und die radioaktive Lauge das Grundwasser zu verseuchen droht. Nun soll das Versuchs-Endlager nach Atomrecht stillgelegt werden. Wie genau das geschehen wird, ist noch unklar. Es gibt Pläne, das gesamte Bergwerk mit einer Magnesiumchlorid-Lösung zu fluten. WissenschaftlerInnen, die dies für äußerst gefährlich erachten, raten dagegen, den Atommüll so schnell wie möglich aus den Stollen zu bergen und an die Erdoberfläche zu holen.

Im Zeitraum zwischen Mitte 2007 und Mitte 2009 wurden in immer kürzeren Abständen immer wieder neue Fakten über die ungeheuerlichen Zustände im „Versuchs-Endlager“ bekannt. Bereits im November 2007 mußte Bundes-„Umwelt“-Minister Gabriel einräumen, daß in Asse II eine Umweltkatastrophe droht. Der Wasserzutritt war nicht länger zu leugnen und ein Gutachten hatte ergeben, daß „Gefahr im Verzug“ ist. Das unterirdische Salzgebirge, das einem mehrstöckigen Hochhaus gleicht, verliert an Tragfähigkeit und droht einzustürzen. Doch Gabriel verzögert die Bergung des Atommülls und spielt stattdessen auf Zeit.

Im Juni 2008 wurde bekannt, daß Wasserzuflüsse in Stollen von Asse II bereits radioaktiv kontaminiert sind. Dies läßt darauf schließen, daß Fässer mit Atommüll bereits durchgerostet sind.

Juli 2008: In einer Liste des Betreibers, des Helmholtz-Zentrums München, fanden sich Eintragungen über „Brennstäben in Blechdosen“. Es besteht daher der dringende Verdacht, daß in Asse II auch hochradioaktiver Müll eingelagert wurde.

September 2008: Bundes-„Umwelt“-Minister Gabriel muß einräumen, daß offenbar niemand genau wisse, was in dem „Forschungsbergwerk“ eingelagert wurde. Es handele sich um die „problematischste Nuklearanlage in ganz Europa“. Die Zustände in Asse II seien unhaltbar. Als „Konsequenz“ wird jedoch lediglich der bisherige Betreiber, das Helmholtz-Zentrum München, durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ausgewechselt.

Januar 2009: Seit Dezember 2008 liegen Informationen vor, daß eine in rund 750 Meter Tiefe liegende Kammer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen akut einsturzgefährdet sei. Gabriel behauptet, hierüber erst wenige Tage zuvor informiert worden zu sein.

Februar 2009: Seit dem 6. Februar wird erneut radioaktiv kontaminierte Lauge aus Asse II in das stillgelegte Bergwerk
‚Mariaglück‘ transportiert. Die dringend erforderliche Rückholung des Atommülls aus den einsturzgefährdeten Stollen wird dagegen weiter verzögert.

23. Februar 2009: Greenpeace deckt auf, daß mehr als 70 Prozent der Radioaktivität im maroden Salzbergwerk Asse II von atomaren Abfällen aus Atomkraftwerken stammen. Die aus einem Inventarbericht stammenden Zahlen widerlegen die bisherige Darstellung der vier großen Energie-Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, sie hätten nur geringe Mengen Atommüll in das als Versuchslager deklarierte Bergwerk Asse II gebracht.

15. April 2009: Der ’stern‘ berichtet, daß sich in Asse II auch Fässer mit Pestiziden, Arsen und Blei befinden.

24. April 2009: Laut neu zum Vorschein gekommenen Dokumenten nutzte auch die Bundeswehr das „Versuchs-Endlager“, um radioaktiven Müll billig loszuwerden.

29. April 2009: Nicht nur Kammer 4 – wie bereits seit Ende 2008 bekannt – , sondern auch Kammer 7 in 725 Meter Tiefe ist akut einsturzgefährdet.

Schacht Konrad

Das einzige ordnungsgemäß nach Atomrecht genehmigte Endlager für Abfälle mit „vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ in Deutschland ist das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter. Seit 1976 wurde es zunächst als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven, seit 1985 für Atommüll mit „vernachlässigbarer Wärmeentwicklung“ vorgesehen. Es wird derzeit zum Endlager ausgebaut, 2013 sollen die ersten Abfälle eingelagert werden. Oft wird in der öffentlichen Diskussion Schacht Konrad als „genehmigtes Endlager“ dargestellt und somit suggeriert, daß damit die Problematik eines atomaren Endlagers gelöst sei. Entscheidend ist jedoch, daß für hochradioaktiven Müll weltweit bis heute kein Endlager vorhanden ist.

Im Planfeststellungsverfahren erhoben nahezu 300.000 Menschen Einwendungen. Die „rot-grüne“ Bundesregierung beschloß mit dem „Atom-Ausstieg“ im Jahr 2000 zugleich die zwei Jahre später erteilte Genehmigung für Schacht Konrad. Klagen von AnwohnerInnen und Nachbargemeinden wies das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2007 zurück. Über die Verfassungsbeschwerde eines Landwirts und der Stadt Salzgitter ist noch nicht entschieden. Auch in Schacht Konrad sollen bis zu 865 Kilogramm Plutonium eingelagert werden.

Eine Langzeit-Sicherheitsprognose für Schacht Konrad basiert im Wesentlichen auf theoretischen Grundlagen und nicht auf empirisch erhobenen Daten. Die zugrunde liegenden Berechnungen sind Jahrzehnte alt und entsprechen längst nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Gorleben

In der BRD wurden in den 1960er Jahren von der Bundesanstalt für Bodenforschung Salzstöcke als geeignet für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll empfohlen. In den 1970er Jahren kam die Idee eines „nuklearen Entsorgungszentrums“ auf, in dem alle deutschen Atomabfälle zentral untergebracht werden sollten. Die Wahl fiel ohne umfangreiche geologische Untersuchungen auf Gorleben. 1979 begannen die „Erkundungsarbeiten“. In einer Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 20. Juni 1984, als die Tiefbohrungen abgeschlossen waren, sprachen sich fünf von neun ExpertInnen aus geologischen Gründen für einen Abbruch der „Erkundung“ des Gorlebener Salzstocks aus.

Inzwischen muß selbst der derzeitige Bundes-„Umwelt“-Minister Sigmar Gabriel einräumen, daß Gorleben nicht aus geologischen Gründen, sondern wegen der Nähe zur damaligen DDR-Grenze und wegen der geringen Bevölkerungsdichte, die ein geringes Widerstandspotential versprach, ausgewählt worden war. Wie im Fall Asse II gab es auch in Gorleben nie ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren. Die bisherigen „Erkundungsarbeiten“ wurden auf der Grundlage des Bergrechts durchgeführt, so daß eine Bürgerbeteiligung umgangen werden konnte.

Eine der wichtigsten Anforderungen, die ursprünglich als unabdingbar für die Auswahl zu einem Endlager angesehen wurden, galt, daß das Lager trocken sein müsse und keinen Kontakt zum Grundwasser aufweisen dürfe. Das „Versuchs-Endlager“ Asse II hat bewiesen, daß ein Salzstock als Endlager diese Anforderung nicht erfüllt. Auch der Gorlebener Salzstock hat bereits Wasserkontakt.

Bereits seit Mitte der 1980er Jahre wurde von kritischen WissenschaftlerInnen festgestellt, daß das Deckgebirge des Gorlebener Salzstocks instabil ist. So liegt die „Gorlebener Rinne“, eine bis zu 320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die mit grundwasserführendem Gestein gefüllt ist, genau über dem tektonisch nach oben aufgewölbten Hut des Salzstocks.

Eine der wesentlichen Anforderungen an ein atomares Endlager ist ein Mehrbarrieren-System. Bei einem Salzstock wäre als eine Mindestanforderung anzusehen, daß eine durchgehende tonhaltige Deckschicht das Salz vom Kontakt mit Grundwasser schützt. Im Falle des Gorlebener Salzstocks ist jedoch die tonhaltige Deckschicht auf einer Fläche von rund acht Quadratkilometern komplett erodiert. Das Salz ist dort nur von wasserführenden Sanden und Kiesen bedeckt. Zudem steigt der Salzstock weiter auf. Er hat durch Salzauflösung bereits einen Teil seiner Substanz verloren und wird durch Wasserkontakt weiter abgelaugt. Eine Vielzahl von Hohlkammern mit Salzlösung und Gasen widersprechen dem Bild eines homogenen Salzstocks, der für eine Endlagerung von Atommüll geeignet wäre.

Bundes-„Umwelt“-Minister Sigmar Gabriel ist derweil vom Kriterium Mehrbarrieren-System abgerückt. In einer von ihm autorisierten Stellungnahme, in der Sicherheits-Kriterien für ein atomares Endlager aufgelistet wurden, ist keine Rede mehr vom Mehrbarrieren-System.

Von den AKW-Betreibern wird weiterhin öffentlich behauptet, daß „alle bisherigen Erkenntnisse die Eignung des Gorlebener Salzstocks gezeigt“ hätten. Seit Jahren wird Atommüll nach Gorleben transportiert, um so den Widerstand zu zermürben und um vollendete Tatsachen zu schaffen. Und von den Mainstream-Medien wurde über Jahre hin mit ihrer Berichterstattung das Bild suggeriert, der in CASTOR-Behältern herantransportierte Atommüll werde bereits unterirdisch eingelagert. Tatsächlich jedoch stehen die CASTOR-Behälter lediglich in einer oberirdischen Leichtbauhalle auf einem Grundstück gegenüber des Erkundungs-Bergwerks.

Am 28. Mai 2009 wurde bekannt, daß der Ausbau des Gorlebener Salzstocks zum Endlager seit Mitte der 1980er Jahre heimlich und illegal vorangetrieben wurde. Aus einem der ‚Frankfurter Rundschau‘ vorliegenden internen Schriftstück des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) geht hervor, daß der Ausbau des Salzstocks unter dem Deckmantel der Erkundungsarbeiten begonnen worden war, obwohl kein Planfeststellungsbeschluß vorliegt, der eine Eignung des Salzstock zuvor bestätigen müßte.

Eine Aussage über die Eignung des Salzstocks kann es laut BfS frühestens in 15 Jahren geben – und dies heißt im Klartext: Mit dem Wissen der „schwarz-gelben“ (bis 1998), der „rot-grünen“ (von 1998 bis 2005) und der „schwarz-roten“ Bundesregierung (ab 2005) wurde hier illegal gehandelt. Darüber hinaus heißt es in dem internen Schriftstück: „In Gorleben lagen die bisherigen Erkundungskosten außerordentlich hoch, was jedoch darin begründet liegt, daß hier parallel zur Erkundung bereits der Ausbau zum Endlager begonnen wurde.“ „Die Erkundungslüge ist aufgeflogen“, stellte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg in einer umgehend veröffentlichten Medienmitteilung fest.

Ein Sprecher des BfS räumte ein, daß die bislang in Gorleben angefallenen Kosten höher seien, als es allein für eine „Erkundung“ im Rahmen eines Standortauswahlverfahrens notwendig gewesen wäre. Die bisher aufgelaufenen 1,5 Milliarden Euro wurden von den deutschen AKW-Betreibern in den vergangenen Jahren immer wieder als Argument vorgebracht, eine „weitere Endlagersuche“ sei nicht tragbar.

Weltweit kein Endlager

Im November 2003 hatte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi den Beschluß durchgesetzt, in Italien ein atomares Endlager einzurichten. Wenig bekannt ist in Deutschland, daß Italien bereits 1987 nach einem erfolgreichen Volksentscheid innerhalb von nur einem Jahr den Atom-Ausstieg realisieren konnte. Drei Atomkraftwerke wurden stillgelegt und ein viertes, nahezu fertiggestelltes Atomkraftwerk wurde auf Gas-Öl-Betrieb umgerüstet. Offenbar wollte Berlusconi Italien als europäischen Endlager-Standort feilbieten. Doch der Proteststurm in der für das Endlager vorgesehenen abgelegenen Region Basilicata war so stark, daß Berlusconi seinen Plan bereits im Dezember zurückziehen mußte.

In der Schweiz und in Frankreich werden Endlager-Konzepte verfolgt, die unterirdische Tonschichten als ideal zur Aufnahme von Atommüll darstellen. So ist in der Schweiz der grenznahe, am Rhein gelegene Ort Benken vorgesehen und Frankreichs Regierung läßt im abgelegenen Bure in Lothringen auf einem streng bewachten Areal „Erkundungs“-Bohrungen vorantreiben. Doch im Januar 2009 wurden Untersuchungen an der Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich bekannt, wonach sowohl der unter Benken als auch unter Bure befindliche Opalinuston ungeeignet ist, wärmeentwickelnden Atommüll aufzunehmen. Denn unter bestimmten Bedingungen, die bei der Einlagerung radioaktiver und stark Wärme abstrahlender Stoffe angenommen werden müssen, bilden sich im Opalinuston beträchtliche Risse.

Am 9. März 2009 wurde bekannt, daß die von Ex-US-Präsident George W. Bush mit wenig Fortune vorangetriebenen Pläne für ein atomares Endlager im Yucca Mountain in Nevada von der neuen US-Regierung unter Barack Obama aufgegeben werden. Jahrzehntelange wissenschaftliche Untersuchungen haben erwiesen, daß die Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll in Granit die vorgegebenen Sicherheitsanforderungen nicht ausreichend erfüllen kann. Zumindest hat die US-Regierung die Gelder für Yucca Mountain im nächsten Haushalt weitgehend gestrichen. Auch das schwedische Endlager-Konzept in Granit, das bislang als weltweit führend galt, ist gescheitert. GeologInnen wiesen im angeblich seit 1,6 Millionen Jahre stabilen
Urgestein Spuren von mindestens 58 Erdbeben der Stärke acht auf der Richterskala allein in den zurückliegenden 10.000 Jahren nach.

Der weitaus größte Teil des weltweit angefallenen Atommülls befindet sich nach wie vor in „Zwischenlagern“. Atomkraftwerke werden nun schon seit mehr als 50 Jahren betrieben und noch immer weiß niemand, wo der hochradioaktive Müll einmal bleiben kann. Häufig wird ausgerechnet von Atomkraft-GegnerInnen ein „konstruktiver“ Beitrag zur Lösung des Endlager-Problems eingefordert. Doch erst wenn alle Atomkraftwerke in Deutschland stillgelegt sind, wenn also ein Atom-Ausstieg real ist, kann ernsthaft nach einer Lösung gesucht werden. Ansonsten würde mit Sicherheit eine allgemein akzeptierte Notlösung als Argument benutzt werden, den Betrieb von Atomkraftwerken bis zum nächsten Super-GAU fortzusetzen.

Solange jedoch weiterhin Atomkraftwerke in Betrieb sind, wird der Druck, ein Lager zu finden, so groß sein, daß nicht der optimale Standort gewählt wird, sondern ein beliebiger. Denn für die AKW-Betreiber genügt jeglicher „Nachweis“ eines Endlagers, um die Nutzung der Atomenergie fortzusetzen. Morsleben und Asse II haben deutlich gezeigt, wohin dies führt.

Quelle: www.scharf-links.de / Netzwerk Regenbogen
Info-Serie Atomenergie, Folge 12