65 Jahre Atombombe: Als die Angst wahr wurde
Am 16. Juli vor 65 Jahren testeten US-Forscher erstmals die Atombombe. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vom 6. und 9. August 1945 wurden von US-Präsident Harry S. Truman am 16. Juli 1945 – unmittelbar nach Bekanntwerden des erfolgreichen Trinity-Tests, des ersten Atomtests – beschlossen und am 25. Juli angeordnet. Die Atombombenexplosionen töteten insgesamt etwa 92.000 Menschen sofort. Weitere 130.000 Menschen starben bis Jahresende an den Folgen des Angriffs, zahlreiche weitere an Folgeschäden in den Jahren danach.
Über die Auseinandersetzung um Gorleben und die Stilllegung der Atomkraftwerke hier im Lande dürfen und wollen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die sogenannte „zivile“ Nutzung der Atomenergie von der militärischen Nutzung niemals getrennt gesehen werden kann. Wir treten für die Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen weltweit ein. Den folgenden Beitrag verdanken wir der russischen Informationsagentur RIA Novosti. Er wird bestimmt Diskussionen provozieren, aber bestimmt auch unseren Blick für dieses Thema schärfen. Spasibo.
Nach dem Bau der ersten Atombombe entstand der Begriff „Stabilität“, der auf der Angst vor einer Atombombe und der gegenseitigen Vernichtung basierte. Die Begriffe „Stabilität“ und „Angst“ passen zwar kaum zueinander, gehören heute jedoch zum Alltag.
Die USA setzten die Atombombe zweimal ein: in Hiroshima (66.000 Todesopfer) und in Nagasaki im August 1945 (40.000 Todesopfer). Die USA sind die einzige Macht, die die Atombombe im Krieg einsetzte. Es war eine schreckliche Erfahrung gewesen. Die USA quälen sich bis heute, suchen nach Entschuldigungen und behaupten, dass der Zweite Weltkrieg ohne die Atomexplosion in Hiroshima und Nagasaki noch lange gedauert hätte.
Laut General Leslie Groves, Leiter des Manhattan-Projekts, waren die Bomben vor allem für die Sowjetunion und Stalin bestimmt gewesen. Die Entwicklung der Atombombe war bereits vor dem Krieg mit Japan begonnen worden (einzelne Forschungsarbeiten begannen Ende 1939). Offiziell wurde die Entwicklung der Atombombe am 6. Dezember 1941, einen Tag vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, vom damaligen US-Präsidenten Franklin Roosevelt beschlossen.
Alle Wissenschaftler, die am Manhattan-Projekt teilgenommen hatten, wussten, was und wofür sie arbeiteten. Sie dachten nicht an die Folgen, sondern daran, ob „The Gadget“ (das Gerät, technische Spielerei) mit dem Codenamen „Trinity“ funktionieren wird oder nicht. Dennoch kann man den Amerikanern kaum vorwerfen, unmoralisch gehandelt zu haben. Die Zeiten und die Moral waren anders. Die Welt lebte im ständigen Kampf gegen den Faschismus, das größte Übel in der damaligen Welt. Alle wussten, warum und gegen wen diese Bombe gebraucht wurde. Alle verstanden deren Notwendigkeit und die unvermeidlichen Folgen für die Welt. Kenneth Bainbridge, wissenschaftlicher Leiter des Manhattan Projekts, sagte nach ein Paar Stunden nach der Explosion zu Robert Oppenheimer: „Jetzt gehen wir alle als Dreckschweine in die Geschichte ein.“ Das traf den Nagel auf den Kopf.
Diese Tatsachen sind in vielen Dokumenten festgehalten. Dennoch versucht man sie zu verheimlichen, zu vergessen oder zu verfälschen. Das darf nicht vergessen werden, weil es sehr oft unmöglich ist, die Frage „Was tun?“ zu beantworten ohne eine Antwort auf die Frage „Wer ist schuld?“ zu finden.
Die erste Atombombe wurde am 16. Juli 1945 auf dem Testgelände bei Alamogoro in New Mexico (USA) gezündet. Um 5:30 Uhr detonierte die Atombombe, die eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT besaß. Zur zweiten Atommacht stieg Russland auf, später schlossen sich drei weitere Staaten dem Atomklub an. Derzeit gibt es zehn erklärte und unerklärte Atommächte.
Seit Ende der 1940er Jahren versuchten die Atommächte, den Zutritt zum exklusiven Atomklub zu begrenzen. Sie forderten die „Anwärter“ auf, Atomforschung nur zu friedlichen Zwecken zu betreiben. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags gab es fünf Atommächte: Großbritannien, China, Sowjetunion, die USA und Frankreich. Offiziell sind Peking und Paris dem Atomwaffensperrvertrag 1992 beigetreten. Mittlerweile haben 188 Staaten den Vertrag unterzeichnet.
Ab Mitte der 1970er Jahre bekam der Atomklub zunehmend mehr Mitglieder. Indien führte 1974 erstmals einen Atomtest durch (1998 testete es nukleare und thermonukleare Munition). Pakistan zündete 1998 seine erste Atombombe. 2006 führte Nordkorea seine erste Kernwaffenversuche durch. Israel hat ebenfalls eine Atombombe (von 100 bis 200 moderne nukleare Gefechtsköpfe). Israel hat diese Informationen weder zugegeben noch widerlegt. Israel, Indien und Pakistan haben den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet.
2006 verkündete der Iran, dass er die Entwicklung der Produktionstechnologien für Kernbrennstoff abgeschlossen habe. Südafrika arbeitete ebenfalls an einer Atombombe (laut Informationen wurde eine Atombombe zusammen mit Israel 1979 getestet), die Versuche wurden jedoch gestoppt. Danach unterzeichnete es den Atomwaffensperrvertrag. In Libyen, Irak, Taiwan und Syrien gab es ebenfalls Experimente mit waffenfähigem Atommaterial. Dabei blieb es jedoch.
Es gibt ebenfalls die „Quasi-Atommächte“, die zwar Technologien zur Herstellung einer Atombombe besitzen, aber keine Atombombe aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen bauen wollen. Es handelt sich um Argentinien, Brasilien, Ägypten, Südkorea, Syrien, Libyen und Südafrika. Laut IAEO-Angaben sind insgesamt 30 Länder in der Lage, Atomwaffen zu bauen.
Die alten Atommächte wollen selbstverständlich keine Kernwaffen einsetzen. Das Problem besteht jedoch darin, dass die „Schwellenländer“ eine Katastrophe in der ganzen Welt verursachen können. Dies hängt mit einer übertriebenen „Wachsamkeit“ zusammen. Israel hatte bereits zwei Angriffe gegen „verdächtige“ Atomobjekte in Nachbarstaaten geflogen. 1981 wurde ein Objekt im Irak vernichtet. 2007 bombardierte Israel „nukleare Ziele“ in Syrien. Die USA haben unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush den Irak unter dem Vorwand eingegriffen, Massenvernichtungswaffen vernichten zu wollen. Ein israelischer Angriff gegen den Iran hätte katastrophale Folgen für den Nahen Osten.
Es ist offensichtlich: Solange es zwischen den Atommächten und den nicht-nuklearen Staaten politische, wirtschaftliche, territoriale und mit Rohstoff verbundene Differenzen gibt, wird eine Welt ohne Atomwaffen wohl eine idealistische Utopie bleiben. Man hat sich daran gewöhnt, dass der Atomknüppel „die Fortsetzung der Politik“ ist.
Dmitri Tultschinski,
Leiter des Deutschland-Büros
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