WAK: Ende einer wenig ruhmreichen Atomgeschichte
Die Aufarbeitungsanlage Karlsruhe hat letzten Endes nur eines produziert: extrem teuren Müll.
Der Vorstand machte sich Sorgen. Im Juli 1969 stand im Norden Karlsruhes der Startschuss für die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) als Pilotprojekt für Wackersdorf kurz bevor. 20 Jahre lang sollten dort bis zum politischen Aus von Wackersdorf 200 Tonnen Brennelemente aus deutschen Atommeilern aufbereitet werden. Aber noch bevor es losging, hatten die Beteiligten Bedenken. Der Standort in unmittelbarer Nähe einer Großstadt, kaum zehn Kilometer vom Zentrum entfernt, sei „äußerst exponiert“ und „nur eine Notlösung“, schrieben sie in einen Vermerk von 1969.
Die Notlösung hielt 42 Jahre. So lange galt Karlsruhe Atomkraftgegnern als einer der gefährlichsten Orte der Republik. In zwei Stahltanks der 1990 stillgelegten WAK schwappten 60 000 Liter Salpetersäure mit 16,5 Kilogramm Plutonium und mehr als 500 Kilogramm Uran – „high Active Waste“, hochradioaktiver Müll, der wegen seiner Wärmeentwicklung jahrzehntelang auf 30 Grad heruntergekühlt werden musste. Es war die Geschichte der Karlsruher Atomsuppe, die nicht nur eine rühmliche war. Am Ende musste der Stoff 2009 in einem aufwendigen Verfahren für 2,7 Milliarden Euro verglast werden. Die Kokillen aus dieser Verglasung werden jetzt in fünf Castor-Behältern mitten durch die Stadt gefahren und landen am Ende im Zwischenlager Lubmin.
Heute weiß man, was alles schief lief. Das Bundesinnenministerium räumte 1974 gegenüber dem Bundestag allein zwölf Störfälle in zwei Jahren ein. Regenwasser und Abgase waren wiederholt radioaktiv belastet, selbst außerhalb der gesicherten Anlage, was „einige Monate nicht bemerkt worden war“. Mal explodierte ein Abfallfass, Arbeiter wurden verstrahlt. Das Ministerium berichtete von „systematischen Schwierigkeiten“ in der Anlage, die sich schlicht übernommen hatte und mit „wenig erprobten Prototypen“ arbeitete.
Den Skandal um die Asse hat auch die Karlsruher Anlage zu verantworten
Auch sonst agierten die Atomlobbyisten nicht immer ruhmreich. 1967 verließ ein Binnenschiff den Karlsruher Rheinhafen mit 480 Fässern Atommüll aus dem Forschungszentrum. In Holland wurden sie auf den Hochseefrachter Topaz umgeladen, der sie vor Portugal 4000 Meter tief ins Iberische Becken versenkte. All das war in seinen Einzelheiten nur einer ausgesuchten Öffentlichkeit bekannt. Kritischer gefragt wurde erst, als herauskam, dass die Hälfte des Atommülls im einsturzgefährdeten Salzbergwerk Asse aus Karlsruhe kam. Dort lagern, verteilt auf 127 000 zum Teil verrostete Fässer, 28 Kilogramm Plutonium. Das Bergwerk droht den Atommüll unter sich zu begraben, wenn es nicht gelingt, ihn rasend schnell für mehrere Milliarden Euro herauszuholen.
Die Asse war der Öffentlichkeit stets als „Versuchslager“ verkauft worden. Intern jedoch war längst die Rede von einem „Endlager“. Und auch in den Genehmigungsunterlagen von Atommeilern tauchte als Entsorgungsnachweis folgerichtig die Asse nicht als Forschungslager, sondern als „Endlagerstätte“ auf, die „jahrhundertelang ohne Gefahr“ genutzt werden könne.
1990 endete die ruhmreiche Karlsruher Atomgeschichte. Wackersdorf war politisch gescheitert, also machte auch das Pilotprojekt WAK Karlsruhe keinen Sinn mehr. Es wurde eingestellt. Nur die berühmt gewordene Atomsuppe schwappte noch in zwei Stahltanks. Ab kommenden Mittwoch ist auch sie an diesem Ort Geschichte.
Für den zehn Kilometer langen Transport zum Güterbahnhof gelten strenge Sicherheitsvorschriften. 50 Meter rechts und links der Gleise wurde ein Demonstrationsverbot erlassen. Einige hundert Gegner haben schon vor Ort wegen des „sinnlosen Atomtourismus“ protestiert. Die Polizei wird den Castortransport mit einem Großaufgebot an Beamten sichern.
Quelle: Badische Zeitung 14.02.11