Schluss mit staatlich verbürgten Atomexporten
Angesichts der Atomkatastrophe in Japan und der daraus folgenden Atomausstiegsdebatte in Deutschland fordert die Umweltorganisation urgewald Konsequenzen auch bei den staatlichen
Hermesbürgschaften. Solche staatlichen Garantien sind in vielen Fällen die Voraussetzung, damit Atomkraftwerke überhaupt gebaut werden können. So wurden drei Reaktoren des Unglücks-AKW Fukushima mit Hilfe des amerikanischen Hermespendants Export-Import Bank realisiert.
Seit Regierungsantritt der schwarz-gelben Koalition werden auch in Deutschland wieder Atomexporte ins Ausland mit staatlichen Garantien abgesichert. Die seit 2001 gültigen Hermesleitlinien schlossen den Export von Nukleartechnologie aus. „Kaum jedoch war die neue Regierung an der Macht, schaffte sie die Hermesleitlinien ab und gab eine Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro an Areva/Siemens für den Bau des brasilianischen Atomkraftwerks Angra 3“, erklärt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. Brasilianische Umweltschützer wehren sich seit Jahren gegen den Bau dieses AKW, da es in einer potenziellen Erdbebenzone liegt, ein veralteter Reaktortyp gebaut werden soll, der einzige Evakuierungsweg häufig durch Erdrutsche blockiert wird, die Atomaufsicht nicht unabhängig ist und immer wieder hohe brasilianische Politiker laut über die Vorteile einer eigenen Atombombe nachdenken.
Nach Angra gab es weitere Bürgschaftsanträge: Laut Auskunft der Bundesregierung lagen im März 2010 Anträge für Zulieferungen zu den russischen Atomkraftwerken Leningradskaja und Novovoronezhkaja vor, die jedoch bis Juli zurückgezogen wurden. Darüber hinaus gab es Anträge für Zulieferungen für das geplante Atomkraftwerk Changjiang nahe der Stadt Haiwei auf der Insel Hainan und in Taishan in der Guandong Provinz (Auskunft der Bundesregierung im März und November 2010). In Changjiang wird ein chinesischer Druckwasserreaktor gebaut, ein CNP 600, den die China National Nuclear Corporation (CNNC) entwickelt hat. In Taishan sollen zwei Areva EPR (Europäische Druckwasserreaktoren) entstehen.
Zwischen Oktober 2009 und August 2010 wurden laut Bundesregierung insgesamt 11 Bürgschaften für Lieferungen für Atomanlagen in China, Frankreich, Japan, Südkorea, Litauen, Russland und Slowenien vergeben. Der Gesamtwert dieser Lieferungen liegt bei 24 Millionen Euro.
Im Februar 2011 berichtet die Bundesregierung zudem von einem Antrag über 26,1 Millionen Euro für Zulieferungen an ein AKW in China und über eine Rückversicherung für Zulieferungen an ein AKW in Südafrika in Höhe von 11 Millionen Euro. Zudem nennt sie Voranfragen im Rahmen von Projekten in Großbritannien, Finnland und Vietnam. Vietnam hat im vergangenen Oktober einen Vertrag mit Russland zum Bau von zwei Atomreaktoren unterzeichnet.
„Wenn Lehren aus der Katastrophe in Japan gezogen werden sollen, können diese nur sein: Schluss mit staatlicher Unterstützung für Atomexporte“, fordert Regine Richter, Energieexpertin bei urgewald. „Denn wenn schon ein so hoch industrialisiertes Land wie Japan die Gefahren der
Atomkraftnutzung nicht beherrschen kann, darf nicht mit Hilfe von Hermesbürgschaften die Verbreitung dieser Technologie in Ländern gefördert werden, in denen die Rahmenbedingungen, Sicherheitsstandards und Aufsicht viel schlechter sind.“
Hintergrund:
Hermesbürgschaften werden deutschen Firmen gewährt, um sie bei Exporten in so genannte „schwierige Märkte“ in Entwicklungs- und Schwellenländern gegen das Risiko abzusichern, dass der Käufer ihrer Waren nicht zahlen kann. Für größere Ausfälle kommt der Bundeshaushalt und damit der deutsche Steuerzahler auf.
Weitere Informationen:
Regine Richter, urgewald, 030-28482270
Heffa Schücking, urgewald, 0160-96761436
http://www.urgewald.de