Die Weltkonferenz für eine Atomkraftfreie Welt in Yokohama – Tag 2
Beim letzten Castortransport war ein japanisches Filmteam unterwegs, das zusammen mit einem bekannten bis berühmten Schauspieler – Taro Yamamoto – viele Menschen interviewt hat und Szenen auf Video mitgeschnitten. Zusammen mit zwei Kampaigner_innen von Greenpeace fand ein Workshop von Taro zu „Aktionen zivilen Ungehorsams“ statt, den wir besucht haben. Schon bei unserer Ankunft in Yokohama lernten wir Oda kennen. Er ist Vorsitzender der Anti-Atom-Organisation „Nazen“ und ein sehr kämpferischer Typ. Für das unerlaubte Betreten eines Universitätsgeländes im Rahmen einer Anti- Atom- Demo musste er bereits 8 Monate ins Gefängnis. Weitere 5 Male hat ihn die Staatsmacht für Anti- Atom- Aktionen eingesperrt, die in jeder Hinsicht das Label „gewaltfrei“ tragen.
Vor diesem Hintergrund starker Repression gegen Leute die sich für eine Atomkraftfreie Welt engagieren, war der Workshop sehr spannend und übervoll mit Leuten aus Japan. Leider fand keine Übersetzung statt, aber wir waren glücklicherweise den ganzen Tag mit drei Übersetzern von Doro Chiba dort.
Das Zeigen der Videos aus Gorleben hat die Teilnehmer_innen sehr stark motiviert, nicht lockerzulassen und sich selbst öffentlichkeitswirksame Aktionen auszudenken, die sie am 11.3., dem Fukushima- Jahrestag, anwenden wollen. In Fukushima findet eine Demonstration statt.
Unser Gespräch mit Taro Yamamoto konnten wir am Abend noch vertiefen, beim solidarischen Feierabend Essen und Trinken- danketsu nomikai. Für uns eine große Ehre, da es auch ein offizielles Abschlussessen gab, wir es aber vorgezogen haben, im kleinen Kreis Abschied zu nehmen von den Teilnehmenden der Konferenz. Außer den Gewerkschaftern waren noch Oda und die Geschäftsführerin von Nazen, eine Koreanerin und Momoko, eine Aktivistin, die 100 km nördlich von Tokio, also 130 km südlich von Fukushima lebt, dabei.
Das mit Stäbchen essen ist übrigens eine wunderbare Angelegenheit, leicht zu erlernen und es macht Spaß! Wir haben jeden Tag traditionell japanisch gegessen. Der Fisch war nicht aus der Gegend, so wurde uns versichert. Auch Nattó, das angeblich viele nicht Einheimische verschmähen, fand bei und großen Anklang.
Bei einem Bier oder Sake oder Shochu -Kartoffelschnaps mit heißem Wasser- diskutiert es sich gut und lange und ergebnisreich. Wir haben viele Erfahrungen und Einschätzungen ausgetauscht, die uns auf eine verstärkte Zusammenarbeit in Zukunft hoffen lassen.
Sonntag haben wir uns mit Sachiko Sato getroffen. Sie ist Mutter von 5 Kindern in der Präfektur Fukushima und war bis zur Reaktorkatastrophe Biobäuerin. Seit August 2011 ist Sachiko Vorsitzende des neu gegründeten Vereins „Mütter für die Kinder von Fukushima“. Die Gruppe hat ein großes Projekt in Planung: den Bau eines Krankenhauses in Fukushima. Dort sollen unabhängige Ärzte und Ärztinnen die Folgen von Strahlenschäden behandeln. Leider ist es so, dass die Regierungslinie aussagt, es gäbe kaum Strahlenschäden. Ärzte haben deshalb Angst, die Strahlenerkrankungen beim Namen zu nennen. Auch fehlt es an adäqauten Behandlungsmöglichkeiten. Die Menschen leben aber nach wie vor in der Region und brauchen dringend Unterstützung. Es ist Realität, dass längst nicht alle von radioaktiver Verseuchung Betroffenen evakuiert worden sind und werden. Wir haben besprochen, die japanischen Flugblätter zur Unterstützung des Projektes auf deutsch drucken zu lassen und werden das Projekt von Deutschland aus unterstützen. Hierzu lassen wir allen Informationen zukommen, sobald unser Part der Beteiligung an dem Projekt spruchreif ist. Ein Grundstück ist bereits vorhanden. Für den Bau des Krankenhauses und die Ausstattung werden 300 Millionen Yen benötigt, das sind etwa 3 Millionen Euro.
Ein weiteres Projekt um Momoko plant die Verschickung von Kindern aus von Strahlung besonders betroffenen Gebieten für einen Monat jeweils Schulklassenweise als eine Art Kur. Schon in 30 km Entfernung ist oftmals ein eklatanter Unterschied der Strahlung durch den Supergau feststellbar. So wie die Idee der Verschickung von Kindern aus Tschernobyl, sollen die Kinder die Chance haben, ihr Immunsystem zu erholen und zu festigen. Nur sind die Distanzen hier wesentlich kleiner. Auch über den Fortgang dieses Projektes halten wir euch auf dem Laufenden.
Am Sonntag haben wir an einer Anti Atom Demo von Student_innen an der Hosei Universität teilgenommen. Eine zahlenmäßig kleine Demo mit sehr viel Power! Wir haben eine Grußbotschaft aus dem Wendland vorgetragen und gegenseitig bekräftigt, dass wir engagiert für die Abschaltung aller Atomanlagen weltweit streiten.
Die letzte Nacht haben wir in Tokio im Samurai Hotel verbracht. Alle vorherigen Übernachtungen hatten unsere Freunde von der Eisenbahner- Gewerkschaft Doro Chiba für uns organisiert. Chiba ist eine Stadt etwa 30 km südlich von Tokio. Die Doro Chiba führen dort ein Hotel, wo wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements entlassene Kolleg_innen einen neuen Arbeitsplatz finden.
Die zweite und dritte Nacht waren wir bei einer Frauenrechtlerin, Poko, die zusammen mit ihrem Mann Quartier für uns angeboten hatte. Platz ist in der kleinsten Hütte und wir haben hervorragend auf den Schlafmatten genächtigt. Poko hat zusammen mit einer Kollegin ein Interview gemacht, dass in der näXten Ausgabe ihrer monatlichen Zeitung erscheinen wird.
Es gäbe noch viel zu berichten, dies als erster Eindruck unserer Delegation nach Japan. Am Dienstag sind wir zurückgekehrt. In Wien trennten sich unsere Wege nach Süd- und Norddeutschland. Arne Reher, Organisator der Mahnwache in Rottenburg am Neckar, wird in seiner Region von unseren Erfahrungen berichten. Lennart Müller und ich planen bereits eine Veranstaltung in näXter Zukunft, um Bilder, Videos, Geschichten und Inhalte mit euch im Wendland zu teilen.
Das ist erst der Anfang, gemeinsam schalten wir ab! Kempat hantai!
Unser ganz besonderer Dank gilt den lieben Kollegen der Doro Chiba, Sato, Yamamoto, Tigermann, Porzellanmann, Karatemann, die uns tagelang übersetzenderweise begleitet haben und den Kolleg_innen von Nazen, Chiori und Oda, die uns Einblick gewährt haben und uns mitgenommen haben auf ein Stück Anti- Atom- Reise in Japan.
Geschrieben in 12000 Meter Höhe, irgendwo über Sibiriens Arktis,
es grüßt euch herzlich Kerstin Rudek