Das Endlagersuchgesetz im Affentempo wird keinen Frieden bringen

Die Ministerpräsident_innen der Länder und die Mehrheit des Bundestages haben im Juni 2012 ein Gesetz für ein Verfahren für eine neue Suche nach einem Atommüllendlager zusammengeschrieben, das unbedingt noch vor der Bundestagswahl im September 2013 in Kraft treten soll. Im Juli 2013 hat der Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt. Ein Beitrag zur aktuellen Debatte um das Endlagersuchgesetz von Kerstin Rudek, ehemalige Vorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg.

Das Gesetz wird aber keinen Frieden bringen. Dem Misstrauen der Menschen, der Verbände und Anti-AKW-Initiativen, dass hier nur ein Riesen-Brimborium veranstaltet wird, an dessen Ende dann doch wieder Gorleben steht, hätte nur durch die Herausnahme dieses ungeeigneten Standortes begegnet werden können. Der Gesetzgeber hat noch nicht einmal die Zwischenlagerfrage klären können, wo nämlich die noch ausstehenden 26 Castor-Behälter aus der Wiederaufarbeitung bleiben sollen, die gegenwärtig noch im Ausland gelagert werden.

Die in dem Gesetz genannten Gremien können die grundlegenden Probleme nicht lösen, wie man Atommüll lagert: sicherstmöglich abgeschlossen von Mensch und Biosphäre im Sinne der Bevölkerung über Hunderte von Generationen und nicht kostengünstig im Sinne der Konzerne.

  • Die wichtigste Frage, soll man den Atommüll für immer begraben oder zugänglich und rückholbar lagern, wie bei der Asse gerade definitiv erforderlich, darf die „Bund-Länder-Kommission“ allenfalls erörtern.

Die Kommission besteht aus 33 Sitzen. Je 8 Sitze entfallen auf Politiker_innen aus Land und Bund. Sie sind nicht mit einem Stimmrecht ausgestattet. 8 Sitze gehen an die Wissenschaft, wobei davon auszugehen ist, dass 4 unkritische Wissenschaftler_innen berufen werden. Neben dem oder der Vorsitzenden gehe jeweils 2 Sitze an die Industrie, die Gewerkschaften, die Kirche. Nur 2 Sitze werden von der Zivilgesellschaft bekleidet. Da eine Zweidrittelmehrheit für Entscheidungen benötigt wird, liegt die Sperrminorität bei 6 Stimmen. Jeder kann sich ausrechnen, was die Ergebnisse dieser Kommission sein können werden.

Vorhabensträger für das Standortsuchgesetz ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Die Neuschaffung einer neuen Superbehörde, dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgung, wird zur Verwässerung der Kommissionsempfehlungen führen, am Ende entscheidet die Politik. Die Komission wird überregelt. Die Bundesregierung soll dann einen Gesetzentwurf für ein Endlager erstellen und letztlich soll der Bundestag die Endlagerfrage per Gesetz bestimmen. Was mit Endlager gemeint ist, stellt § 2 Nr. 1 des Gesetzes klar, dort steht: „wobei die Rückholung nicht beabsichtigt ist“.

Das Standortauswahlgesetz wird scheitern. Ein Neuanfang wäre nötig, der erst einmal mit der Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit beginnt und zwar bei den Pannen, Manipulationen, Schönfärbereien und Katastrophen. Das zeigen die absaufende Asse und Morsleben und der gesellschaftliche Großkonflikt um Gorleben. Am Ende einer gesellschaftlich breit angelegten Debatte über die Verwahrung von Atommüll gehören alle bereits erteilten Genehmigungen auf den Prüfstand, auch das bereits genehmigte Atommülllager Schacht Konrad bei Salzgitter wird den Kriterien einer verantwortungsvolleren Atommüll-Politik nicht standhalten.

  • Nötig wäre jetzt eine Offenheit des Verfahrens und eine gründliche gesellschaftliche Debatte, die das Verfahren selbst im Hinblick auf das „Wie“ der Verwahrung und des Suchverfahrens erst einmal grundlegend zur Diskussion stellt und sich nicht gleich alles auf ein „Endlager“ fokussiert, das nach den jetzigen Vorfestlegungen der Politik von keiner Region akzeptiert werden wird.

Nun kommt der Zivilgesellschaft die bedeutende Aufgabe zu, die Diskussionen der Bund-Länder-Kommission und deren Ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit zu erläutern. Eine Kontrollinstanz der Kommissionsarbeit durch Bürgerinitiativen und Organisationen sollte der Bevölkerung, die sich an der Debatte beteiligen will, die notwendigen Informationen  – weiterhin – zur Verfügung zu stellen.

Hier ist auf folgende Punkte besonders zu achten:

  • Die Forschungsergebnisse von Prof. Klaus Kühn, der für die ASSE Pate stand und bis heute Gorleben gesundbetet, sind als Grundlage für kommende Atommüll-Lagerung auszuschließen.
  • Salz als Lagermedium gehört generell auf den Prüfstand und scheidet voraussichtlich für künftige Atommülllagerung aus.
  • Hinweise aus der Atomwirtschaft, ein Endlager sei frühestens in 50 Jahren betriebsbereit, es sei denn, man nehme Gorleben, sind nicht hilfreich.
  • Atommüll, der in der BRD produziert wurde, ist auch hier zu verwahren.

Eine Forderung ist und bleibt, Atomkraftwerke schnellstmöglich stillzulegen, das heißt sofort. Jeder Atommeiler, der jetzt noch am Netz bleibt, vergrößert stetig das Problem der Entsorgung und damit auch der Akzeptanz zur Schaffung eines Atommüllstandortes.

Die Anti-Atom-Bewegung kann sich nicht zurücklehnen, sondern wird viel Arbeit damit haben, den Finger in die Wunde der nicht lösbaren sicheren Lagerung von Atommüll zu stecken. Sonst befürchten viele erfahrene Aktivist_innen und Referent_innen, dass die Bemühungen um Fortschritte zur Schaffung eines Lagers für hochradioaktiven Müll dazu führen können, dass die Atomindustrie erneut einen Anlauf wagt, das Atomzeitalter zu verlängern, diesmal vielleicht unter dem Deckmäntelchen der Transmutation.

Kurzbiographie:
Kerstin Rudek, Jahrgang 1968, Wendländerin, Homöopathin, Mutter von 6 Kindern, Anti-Atom-Aktivistin, 2007 -2012 Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Umweltpolitische Sprecherin des Landesvorstandes DIE LINKE Niedersachsen.

Dieser Text ist erschienen in:

Endlagersuche – gemeinsam mit den Bürgern!
Information – Konsultation – Dialog – Beteiligung
Loccumer Protokoll 21/13, Rehburg-Loccum 2013
ISBN 978-3-8172-2113-4, 214 Seiten, 12,00 €