Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Bericht: Tagung Atommüll ohne Ende, Teil II
Für die einen war es der Kontrapunkt zu einer Veranstaltung der Endlagerkommission mit dem Schwerpunkt „Öffentlichkeitsbeteiligung“, für andere die Fortsetzung der Tagungsreihe „Atommüll ohne Ende, Teil II“ – über 120 Menschen versammelten sich im Tagungszentrum Pfefferberg in Berlin auf Einladung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) und der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, um mit der vorherrschenden Atommüllpolitik der Bundesregierung und der Endlagerkommission scharf ins Gericht zu gehen.
Ursula Schönberger von der AG Schacht Konrad und Claudia Baitinger vom BUND-NRW befeuerten mit ihren Beiträgen die Debatte um fortgesetztes Schönreden, Aussitzen und Papierlösungen, wenn es um den Atommüll geht. Akribisch wurde von den Anti-Atom-Initiativen im Atommüllreport zusammengetragen, an welchen Orten Atommüll gelagert wird und welche Probleme es im Umgang mit dem Atommüll gibt. Jülich, Ahaus, Gronau waren einige der Stationen. Der neueste Papiertiger heißt „Nationales Entsorgungsprogramm“.
„Wir können auf dieser Tagung nur Beispiele präsentieren. Diese zeigen, nur auf dem Papier ist alles gelöst, fasste BI-Sprecher Wolfgang Ehmke die Debatte zusammen, die Rolle der Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände sei es immer noch, Detektivarbeit zu leisten und eine umfassende Atommülldebatte einzufordern.
In seinem Referat griff der Elmshorner Planer und Dozent Reinhard Ueberhorst die Tagung der Endlagerkommission scharf an.
Die Voraussetzungen für eine demokratische Atommüllpolitik seien verspielt worden. Formal-demokratische Prozesse wie das Standortauswahlgesetz und die Einrichtung der Endlagerkommission reichten angesichts der Tragweite des Themas, wie die Gesellschaft mit dem Atommüll umgehen will, nicht aus. „Es bedarf anderer Methoden, einer Weiterentwicklung der Demokratie.“ Eine mehrjährige Willensbildung und aufgeklärte Diskussion aller gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen müsse der Partizipation vorausgehen. Ein korporatistisches Modell, wie es die Endlagerkommission repräsentiert, reiche nicht aus. Das schnelle Gesetz ohne die vorgeschalteten Verständigungsprozesse trage dazu bei, dass kein Vertrauen in die angeblich neue Endlagersuche entstehen konnte.
Die Chance, den Weg für eine demokratische Willensbildung frei zu machen, habe aber auch die Kommission verspielt. Die anfänglichen Bekundungen, das schlechte Gesetz zu evaluieren, wurden aufgegeben. „Das Gesetz bekam Macht über die Kommission, es wird nur noch der Arbeitsauftrag abgearbeitet und damit ist jedes Vertrauen weggebrochen.“ Gleichzeitig aber gebe sich die Kommission den Anstrich, offen zu sein und befasse sich mit Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Dabei werde ein unglaublicher Budenzauber veranstaltet, der Staubsauger – Effekte haben soll: Duch dieses Drehbuch einer simulierten Verständigung sollten die Kritikerinnen und Kritiker vereinnahmt, eingebunden und befriedet werden. Beitrag Ueberhorst Gedankenskizze
In der Arbeitsgruppe „Endlagerkriterien“ werde die Entscheidung vorbereitet, die Akteure hätten sich längst auf die Einrichtung eines tiefengeologischen Endlagers festgelegt. Ein Abrücken, ein Umschwenken, ein Rücksprung, wie es behauptet wird, dass es möglich sei, kann gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. „Dadurch ist die Entscheidung längst getroffen: es wird auf ein Bergwerk und Salz hinauslaufen.“ Das enge Zeitfenster, das bleibt für die Kommissionsarbeit, wird immer wieder als Argument vorgebracht, sei „sehr dramatisch“, sagte Ueberhorst. Denn der Zusammenhang, die Vernetzung von Politik und Wissenschaft brauche Zeit, schließlich gehe es hier um Stoffe, die für Hunderttausende von Jahren gefährlich sind.
Die Hamburger Mediatorin und Rechtsanwältin Ulrike Donat titelte ihren Vortrag „Wer nicht aufräumt, kann nicht (neu) anfangen – Bürgerbeteiligung geht nur mit Vergangenheitsbewältigung“. Dazu gehörten nicht nur die Tricksereien und Lügen, die es an der Asse, in Gorleben und anderen Orten gab, sondern auch die Kriminalisierung der Anti-Atom-Aktivisten. Die Fehler der Vergangenheit reichten in die Gegenwart hinein: „Der Streit um Gorleben ist nicht Vergangenheit, der Müll in den Zwischenlagern ist nicht Vergangenheit. Die drängenden Sicherheitsprobleme sind Gegenwart.“
Ulrike Donat forderte eine „Wahrheitskommission“, denn „Fehler müssen anerkannt, Unrecht muss benannt werden. Verursacher müssen Verantwortung übernehmen. Die Rolle der Politik, die Rolle der Energievorsorungsunternehmen, die Rolle der Großforschungsinstitute und der Bundeseinrichtungen gehören auf den Prüfstand. Die Atomgeschichte ist reich an Lügen, Machtmissbrauch und Skandalen. Ohne „Aufräumen“ gibt es keine Gemeinsamkeiten, die Gesellschaft bliebe gespalen, die alten Fehler dürfen nicht legitimiert werden., die Aufarbeitung all der Fehler. Unrecht müsse benannt, Verursacher müssten die Verantwortung übernehmen.“
Jochen Stay für .ausgestrahlt und Martin Donat (BI) kündigten die Fortsetzung der Atommülldebatte an.
Aktion vor dem Tagungshaus der Kommission
Zuvor hatten Aktivisten vor dem Tagungshaus der Kommission gegen die Pseudo-Beteiligung demonstriert. In einem Satire-Flugblatt erklärte die BI, sie habe übersehen, dass niemand mehr die Absicht habe, in Gorleben ein Endlager zu errichten:
NIEMAND HAT DIE ABSICHT, IN GORLEBEN EIN ENDLAGER ZU ERRICHTEN!
Der lange Atem des Gorleben-Widerstands wird endlich belohnt! Stück für Stück rücken maßgebliche Politiker_innen vom Salzstock Gorleben als Atommüllendlager ab.
Die geologische Gesamtsituation eines Salzstocks mit Wasserkontakt und Gaseinschlüssen, die „Gorlebener Rinne“, wasserführenden Schichten des Anhydrit, das alles wird endlich gewürdigt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass Gorleben – wie zuvor die absaufenden Atommülldeponien Morsleben und Asse II – regierungsoffiziell für erledigt erklärt wird.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks stärkt uns den Rücken. Die SPD-Politikerin hatte Ende März im „Interview der Woche“ des Südwestrundfunks (SWR) gesagt, sie glaube nicht, “dass tatsächlich das Endlager in Gorleben errichtet würde. Davon gehe ich wirklich nicht aus”, so Hendricks. Jetzt will sie auch noch weitere Castor-Transporte nach Gorleben stoppen.
Zuvor hatte bereits Michael Müller, einer der beiden Vorsitzenden der Endlagerkommission des Bundestages, gesagt, in der Bundestagskommission zur Suche eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle gebe es keine Mehrheit für den Standort Gorleben in Niedersachsen. Das bekräftigte Müller bei seinem Besuch in Kiel. “Gorleben ist fast raus”, wurde der SPD-Politiker zitiert.
In der 38jährigen Geschichte des Gorleben-Konflikts hat es derartige Äußerungen von Politiker_innen immer wieder gegeben. Sigmar Gabriel, der unter Merkel bereits Umweltminister war, hatte das vorhergesehen. Er schloss früh aus, dass Gorleben als Standort für ein Atommüllendlager noch in Frage kommt. „Der Standort Gorleben für ein Endlager ist tot“, so Gabriel. Das betonte der heutige Wirtschaftsminister am Ende der Legislaturperiode, im August 2009, unter dem Eindruck der Aktenfunde, die belegten, dass die miserablen Tiefbohrergebnisse in Gorleben unter Helmut Kohl einfach umgedeutet wurden.
Hendricks hat jetzt Klarheit geschaffen und wir können nach vorn schauen. Der Weg ist frei für einen Neuanfang bei der Endlagersuche. Fast! Im Juni wird das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet, aber bis zum Jahr 2022 fällt bei den verbleibenden 8 Atomkraftwerken in Deutschland immer noch hochgefährlicher Müll an und die Urananreicherungsanlage Gronau läuft unbefristet. Das muss sich noch ändern! Ausstieg sofort!
Das ist der Moment, auf den alle jahrzehntelang nicht nur im Wendland gehofft haben. Jetzt reden und entscheiden wir – fast – alle mit! Oder etwa nicht?
Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, Tel. 0170 – 510 56 06
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