Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Gorleben-Widerstand: Das Mehrgenerationenprojekt

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Das war der Knaller: Am Samstag, den 18. Februar rollten die Traktoren, mehr als 120 wie zu Castor-Zeiten. Mit einer Sternfahrt ging es nach Gorleben. 40 Jahre nach der Standortbenennung wurde dort demonstriert, wie ungezählte Male seit dem 22. Februar 1977. „Es musste so sein“, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, „denn wir müssen ab und zu auch belegen, dass der Widerstand gegen die Atomkraft und Gorleben nicht eingeschlafen ist.“ Rund 400 Menschen lauschten den Redner_innen. Zu Wort kamen auf der Bühne Menschen verschiedenster Generationen, die alle durch die Gorleben-Geschichte geprägt wurden und sich politisch eingemischt haben.

Eine kommt hier in voller Länge zu Wort:

Foto: Gorleben Archiv

Foto: Gorleben Archiv

„Hallo, ich bin Gesine Wiese, bin 16 Jahre alt und wohne nichtmal 2 Kilometer von hier entfernt in Gedelitz. Den Widerstand gegen die Castortransporte habe ich seit dem ich klein war immer hautnah miterlebt und an einigen Aktionen und Schülerdemos teilgenommen.

Mit mir ist jetzt die vierte Generation in unserer Familie gegen Atomkraft. Eigentlich müsste es doch jedem klar sein, dass diese Technologie menschenverachtend ist und viele Menschenleben und Familien auf Generationen zerstört wie in Tschernobyl und Fukushima.

Und trotzdem produzieren wir Jährlich pro Reaktor 20-30 Tonnen weiteren hochradioaktiven Müll, der uns noch viele Generationen verfolgen wird. Und er verschwindet auch nicht einfach so. Deshalb sollten wir uns jetzt dafür einsetzen, dass die Atommüllproduktion gestoppt wird! Sonst geht alles auf Kosten der zukünftigen Generation.“

Außerdem sprachen:

Fritz Pothmer, 32 Jahre

Foto: kina.becker@pictonet.de

Foto: kina.becker@pictonet.de

Heinrich Pothmer, 63 Jahre

Foto: kina.becker@pictonet.de

Foto: kina.becker@pictonet.de

Anne Peters, 80 Jahre

Foto: Gorleben Archiv

Foto: Gorleben Archiv

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Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, 0170 510 56 06

Foto Startseite: Andreas Schoelzel

Fotos Fotostrecke: Ingrid und Werner Lowin

  • Chronologie des Widerstands
  • Weitere Fotostrecke/wendland-net.de/40 Jahre Standortbenennung
  • hier die Rede von Martin Donat, BI-Vorsitzendem:40 Jahre Standortbenennung Gorleben,

     

    das ist nicht nur die Geschichte von Lug und Trug, von Manipulationen, von Unfairness und Polizeigewalt, von staatlichem Rechtsbruch und Rechtsbeugung, von der Ohnmacht des Menschen vor der Übermacht des Staates.

    Das ist vor allem die Geschichte unseres Widerstandes dagegen!

    Wichtige Dinge müssen Mann und Frau eben immer noch selber tun!

    Es ist die Geschichte einer überwältigenden gesellschaftlichen Solidarität angesichts elementarer und existenzieller Bedrohung und fundamentalen Unrechts.

    Aber nicht gegen die Atomindustrie und gegen den Atomstaat alleine standen unsere ersten Widerständlerinnen ein, sondern vor allem Anderen:

    Für das Leben!

    Die Verantwortung füreinander, die Verantwortung für Kinder und Enkel, die Verantwortung für eine ökologisch intakte Umwelt, eine lebenswerte Welt, eine lebendige Erde – das war unsere treibende Kraft. Eine Verantwortung, welche die Mächtigen fallen gelassen haben und entgegen ihrer Verantwortlichkeit eben nicht übernahmen.

    Schon vier Jahre vor diesem denkwürdigen und unseeligen Tag waren Pläne für ein Atomkraftwerk an der Elbe bekannt geworden und weise und vorausschauende Frauen – wir denken an Marianne, an Undine, unsere guten Wünsche sind bei Lilo, und Anne Peters wird sicher gleich noch viele andere kennen und nennen- diese klugen Menschen erfassten die Dimension, blickten durch die Nebel der Zeit und organisierten sich gegen die universale Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Damalige Kommunalpolitiker witterten nur Geschäfte, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen…

    Und dann kam dieser eine Tag, an dem der niedersächsische Ministerpräsident unter dem Druck der Bundesregierung mit seinem ausgestreckten Mittelfinger auf diesen einen Ort am äußersten Rande seines Machtbereiches deutete, auf diesen zerklüfteten Salzstock, der ohne Deckgebirge unter der Elbe hindurch, dem größten Strom Nordeuropas, in das ehemalige Staatsgebiet der der DDR ragte…

    Und die sogenannte „Erkundung“ des Endlagers Gorleben begann mit einer Lüge: handschriftlich und willkürlich wurde Gorleben unter die Liste der KEWA-Studie von 1975 erkundungswürdiger „eignungshöffiger“ Salzstöcke druntergesetzt, und das, obwohl der Salzstock überhaupt nicht mit untersucht wurde und nach den zugrunde gelegten Kriterien der Studie noch nicht einmal in die engere Auswahl gelangt wäre. Eine Nachuntersuchung oder nachträgliche Anwendung dieser Kriterien konnten die Gorleben-hardliner trotz verzweifelter Nachsuche auch im PUA Gorleben nicht liefern.

    Die folgenden vier Jahrzehnte lassen sich kurz zusammen fassen als der Versuch und das emsige Bestreben folgender Regierungen, von Ministerien, Bundesanstalten und Bundesämtern, der Atomindustrie und ihrer Forschungseinrichtungen, von Betreibern und Aufsichtsbehörden, das wackelige Lügengebäude eines Endlagers in Gorleben durch Bretter, geschnitte aus dem Holz von Manipulation, Vorfestlegung, einseitiger Betrachtung, selektiver Wahrnehmung, des Weglasssens fundamentaler Erkenntnisse und Ergebnisse, der Anpassung von Kriterien an die vorgefundenen Bedingungen und der himmelschreienden Verantwortungslosigkeit- das wackelige Lügengebäude Gorlebens durch diese schäbigen Bretter der eigenen Selbstrechtfertigung zu stützen und in der Welt zu halten.

    Und am Ende gleicht Gorleben einem Kleidungsstück, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern dessen imaginäre Gestalt lediglich durch die unzähligen selbstherrlichen Flicken seiner Rechtfertigung geformt wird.

    Deshalb rufen wir, damals wie heute – heute wie damals:

    Aber der Kaiser, der ist doch nackt!

     

    Wir wollen an einem solchen Tag- an diesem und an allen Tagen – den Blick nicht nur zurück richten, sondern mit Blick auf das nukleare Erbe der Energiekonzerne und der Atomindustrie, auf die Kurzlebigkeit der Regierungen vor der Ewigkeit der Folgen ihres Handelns und Unterlassens, auf die Ratlosigkeit und Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen, mit Blick auf unsere Kinder, Enkel und Urenkel und auf Tausende kommender Generationen auch auf das Heute und auf morgen schauen. Nicht wenige würden es gerne sehen und begrüßen, wenn wir hier heute nur eine nostalgische Rückschau hielten und das von Regierung, Bundestag und Endlagerkommission konstruierte Bild vom „Neustart in der Endlagersuche“ bedienen würden. In Wahrheit aber wird, während wir hier demonstrieren, in Berlin ein Standortauswahlgesetz novelliert und ausformuliert, in dem Gorleben wieder prominent gesetzt ist, in dem Kriterien auf die in Gorleben vorgefundenen Erkenntnisse zugeschnitten sind, in dem die am Standort Gorleben entwickelte Sicherheitsanalyse für die Auswahl zugrunde gelegt wird und in dem Gorleben mit hoher Wahrscheinlichkeit bis in die Endausscheidung durch das Verfahren geschleift wird; und welches weniger der Auswahl, als vielmehr de Legitimation und der rechtssicheren Durchsetzung eines Endlagers dient. Die wesentlichen Weichenstellungen sollen wieder Behörden und Bundesämter übernehmen, in welchen die selben Akteure wirken, die verantwortlich für die bisherige desaströse Atompolitik sind, die an Morsleben, Asse, Schacht Konrad und die an Gorleben und am StandAG beteiligt waren. Die „checks and balances“, also gegenseitige Aufsicht und Kontrolle, wie beispielsweise von Bund und Ländern, wird ausgehebelt, und das einzige gesellschaftliche Begleitgremium seiner kritischen Eingriffsmöglichkeiten beraubt, die sogenannte „Beteiligung“ der Betroffenen in Regionalkonferenzen und einem Rat der Regionen ist nur auf ergebnisunwirksame Einbindung ausgerichtet. Keine echten Rückschrittmöglichkeiten, kein wirklich „lernendes Verfahren“, kein Veto der Betroffenen..,

    Wir sollen Ja sagen müssen, ohne das wir Nein sagen dürfen!

    Eine faire Beteiligung „von Anfang an“ ist in Gorleben nach vier Jahrzehnten Bespitzelung, Kriminalisierung, Manipulation und nach Wasserwerfer und Polizeiknüppel nicht mehr möglich.

    Gorleben darf nicht weiter als Alibi verfehlter Atommüllpolitik dienen, sondern es muss als Mahnmal einer gescheiterten Entsorgungspolitik aus der Endlagersuche ausscheiden.

    1977 wurde Gorleben aber nicht nur als einziger Endlagerstandort benannt, sondern auch und überhaupt als bundesdeutsches nukleares Sorgloszentrum der Atominsdustrie. Bis auf die als „Wiederaufarbeitungsanlage“ getarnte Plutoniumfabrik- zentrales Element der Atombombenproduktion, die dann im Rahmen europäischer Kooperation nach La Hague und Sellafield ausgelagert wurde-  wurden die Elemente dieses Entsorgungszentrums alle im Rottlebener Tann‘ realisiert und sind auch heute existent. Hier befindet sich heute das Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle, dessen Castorhalle schon bei einem Drittel des Inventars die Grenzwerte erreicht hat, dessen Halle gegen Flugzeugabstürze und Terrorgefahr nur unzureichend geschützt ist und die im Verdacht steht, sekundär aktivierte Partikel zu emittieren. Die Castorbehälter, deren Genehmigungsdauer in der Zeit der jetzt angedachten Endlagersuche wohl zweimal ablaufen wird und deren Transportgenehmigung nach einer möglichen Deckelundichtigkeit ohnehin erlischt. Das Faßlager für schwach- und mittelaktiven Müll, das derart vollgerumpelt ist, dass an die Fässer einfach nicht heran zu kommen ist und in dessen nasser dumpfer Luft die Atommüllfässer kontinuierlich durchrosten. Und die Pilotkonditionierungsanlage PKA, die als Leuchturmprojekt deutscher Atommüllindustrie hoffnungslos veraltet ist, nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht und z:B. noch mit Disketten arbeitet…

    Wer nun denkt, wir würden die (derzeitige) Beendigung der Castortransporte nach Gorleben über alle Maßen bejubeln, der irrt!

    Uns ging es nie um „not in my backyard“ – also „Hauptsache, nicht bei uns“ – uns ging es nie um „Gorleben first“!

    Uns geht es um die Abschaltung aller Atomanlagen: Also auch der Uranaufbereitung und der Brennstabproduktion in Gronau und Lingen!

    Uns geht es um eine demokratische Atommüllpolitik, welche die betroffenen Menschen auch an den Zwischenlägern und Atomkraftwerken ehrlich, fair und von Anfang an ergebniswirksam partizipieren lässt.

    Uns geht es um die Aussetzung aller Urantransporte und auch der riskanten und verzichtbaren Atomtransporte, bis ein gesellschaftler Konsens zum Umgang mit den ewigen nuklearen Hinterlassenschaften des Atomzeitalters erarbeitet worden ist!

    Deshalb rufen wir auch im Bündnis „Neckar castorfrei!“ zur Demonstration am 4. März in Heilbronn auf.

    Dafür wollen wir hier – vor der Beluga, die schon so viele Jahre gegen die atomare Veseuchung auf dem Wasser im Einsatz war, ein Soldaritätsfoto für die Südwest-Initiativen mit euch machen.

    Und wer am 4. März mitfahren möchte, melde sich bitte im BI-Büro!

    Gorleben soll Leben, der Rest der Welt soll’s auch!

KONTAKT

Pressesprecher
Wolfgang Ehmke
Tel. 0170 510 56 06

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