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Stellungnahme zu Sicherheitsanforderungen an ein Endlager
Bis zum 20. November war es möglich, die „Sicherheitsanforderungen“ an ein Endlager für hochradioaktiven Müll zu kommentieren. Dr. Ulrich Wollenteit und Dr. Daniel Lübbert haben im Auftrag der Rechtshilfe Gorleben und der BI Umweltschutz eine kurzgutachterliche Stellungnahme verfasst.
Die Stellungnahme ist fristgerecht beim Bundesumweltministerium eingegangen. Ihre Stellungnahme liest sich wie eine schallende Ohrfeige für die Verfasser des Verordungsentwurfs:
„In der Summe entsteht so ein Bild von mangelnder Sorgfalt bei der Quellenarbeit:Ein zentraler Grenzwert wird möglicherweise „nebenbei“ um den Faktor 100gelockert, in jedem Fall aber nur mit Verweis auf eine einzige, zeitlich zurückliegendeStudie untermauert, die ihrerseits offenbar keine wissenschaftliche Qualitätssicherungdurchlaufen hat. Bei genauerem Hinsehen erweist sich der Verweiszudem als unpassend und die zitierte Studie als fehlerhaft. Ein Bachelor-Student,der in seiner Abschlussarbeit so mit Quellen arbeiten würde, käme an keinerHochschule der Welt damit durch; ihm würde mangelndes Gespür für wissenschaftlicheQualitätssicherung bescheinigt.“
Unser Kritik basiert im Wesentlichen auf folgenden Punkten:
- Unzureichende Beteiligung der Öffentlichkeit (S.2,3 der Stellungnahme)
- Die vielen unbestimmte Rechtsbegriffe wären nur dann akzeptabel wenn ihre weitere Konkretisierung einer angemessenen Öffentlichkeitsbeteiligung unterworfen würden. (S.3,4)
- Wie die Sicherheit während der mindestens 100jährigen Betriebsphase mit ihren zahlreichen ober-und unterirdischen Anlagenteilen zu gewährleisteten ist, soll noch entwickelt werden. Viele Szenarien wie beabsichtigter oder unbeabsichtigter Flugzeugabsturz und Wassereinbruch im Grubengebäude könnten aber schon heute konkret benannt werden. „Der Entwurf in § 17 bleibt hinter den schon heute gegebenen Möglichkeiten zurück und ist in seiner Allgemeinheit nicht zielführend.“ (S.4)
- Es sollte für unterschiedliche Szenarien keine unterschiedlichen Schutzstandards geben (zu erwartende, abweichende und hypothetische Entwicklungen*) (S.5,6)
- Mögliches menschliches Eindringen in das Endlager auszuschließen ist abwegig. (S.7)
- Nur die Masse als Indikator für die Berechnungen des Gefährdungspotentials zu nehmen ist wissenschaftlich fragwürdig und bedarf einer weiteren Debatte. Alternativ oder additiv wäre die Stoffmenge oder die Aktivität der Radionuklide zu betrachten. (S.8)
- Die Anforderungen an den Schutzbedarf von Mensch und Natur vor austretenden Radionukliden beruhen auf Zahlenwerten, die nicht hergeleitet sind. (S.9)
- Ein zulässiger Austritt aus dem Endlager (10-4) würde gestatten, dass „insgesamt 1 Tonne der Brennelemente-Masse (bzw. der darin enthaltenen Radionuklide) aus dem Endlager austreten darf.“(S.9) Das BMU beruft sich bei seinem Wert 10-4 auf eine GRS Studie, die einen Wert von 10-6 angesetzt hatte und unterstellt der Studie hier einen Druckfehler.(S.10)
- Es fehlt auch die Beschreibung wie mit Ungewissheiten umgegangen wird.(S.11)
- Der Entwurf sieht vor, dass nach der Entscheidung für einen Standort die Erkundungsmaßnahmen nicht mehr klären sollen, ob der Standort grundsätzlich geeignet ist. „Die Eignung des Vorhabens ist …aber im Genehmigungsverfahren erneut umfänglich zu prüfen.“ (S.12)
- Die Grenztemperatur von 100°C an der Außenseite der Behälter ist unbedingt in den Sicherheitsanforderungen aufzunehmen, wie es in § 27 Abs. 4 StandAG festgelegt ist. Nur eine breitangelegte, wissenschaftliche und öffentlich geführte Debatte könnte zu einer Änderung dieser Anforderung führen. (S.13, 15,16)
- Der Sicherheitsfunktion des Deckgebirges wird seit den 80igerJahren von Verordnung zu Verordnung weniger Bedeutung zugewiesen. In der vorliegenden Verordnung taucht sie gar nicht mehr auf. (S. 13/14)
- Die Sicherheitsanforderungen sollten nicht nur alle 10 Jahre überprüft werden. Es sollte jährlich über mögliche Veränderungen des Standes von Wissenschaft und Technik berichtet werden. (S. 14)
- Auf die Frage des Umgangs mit Gebieten mit nicht hinreichenden geologischen Daten gibt der Entwurf keine Antwort. (S.14)
- Der neu eingeführte Untersuchungsraum ist vom Gesetz nicht abgedeckt und mit seiner Einführung kann eine „erhebliches Missbrauchspotential nicht ausgeschlossen werden.“ (S.15)
*Kursiv: Zitate aus dem Entwurf
weitere Infos:
- „Nachtrag“ zur Stellungnahme Sicherheitsanforderungen (14.11.2019)
- Endlagersuche: Stellungnahme zu Sicherheitsanforderungen
Welchen Stellenwert haben Kommentare? Wohin soll der Müll aus der Asse-II und aus Gronau? Was passiert nach 500 Jahren? „Vergessen und Verschwinden lassen“ heißt offenbar die Devise. Der Referentenentwurf zur Endlagersicherheitsanforderung-Verordnung wirft viele Fragen auf. Unsere Stellungnahme. - AG Schacht Konrad, 14.11.2019: Stellungnahme zum Referentenentwurf Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen für ein Endlager und für die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen