Schwandorf/Wackersdorf, Freitag, 10.07.09
Könnt Ihr Euch vorstellen, dass in ein paar Jahren eine Reisegruppe nach Gorleben fährt, um dort mal nachzuschauen, was eigentlich aus den idiotischen Atomplänen und dem ehemaligen Zwischen- und Endlagergelände geworden ist? Wir haben dieses Gefühl heute schon mal ausprobiert, wir waren in Wackersdorf!
Dort liegt mitten Wald das Gelände der damals geplanten Wiederaufarbeitungsanlage. Hier wurde aber nicht nur geplant, es wurde auch gebaut! Die in etwa gorleben-gleiche Castor-Halle (damals gedacht als Eingangshalle) ist inzwischen grün (!) angestrichen und dient heute als Halle für Baumaschinen. In anderen Gebäuden sind BMW und verschiedene Zuliefererfirmen untergebracht. Nicht gerade öko, aber jedenfalls nix mit Atom. Eine riesengrosse GoKart-Bahn gibt es auch. Und der damals gerodete Wald ist nachgewachsen..
Architekur bekannt aus Gorleben und Ahaus: Brennelementeeeingangshalle der geplanten aber verhinderten WAA – heute Fahrradspeichenlager.
Als wir in Schwandorf ankommen, werden wir von Klaus und Wolfgang erwartet – beides Männer der ersten Stunde. Klaus war 1981, als die dortige Bürgerinitiative sich gründete, Förster, Wolfgang liess sich zum ‚Kassier’ der Initiative wählen. Mit einem Augenzwinkern gibt er zu, dass er sich in dieser Funktion am sichersten fühlte. Denn ähnlich wie in Gorleben musste das Demonstrieren auch hier erst mühsam gelernt werden. Genau wie dort gab es die von Politik und Medien geschürte Angst vor den sog. Chaoten. Es waren im Wortsinne Kreuz-brave Bürger, die damals ihre erste Demonstration organisierten. Später, zu den Grossdemonstrationen, kamen dann andere dazu – solche, vor denen man sie immer gewarnt hatte: Langhaarige, Leute in Latzhosen, Frauen mit wilden, roten Haaren… Aber es ging, und einer lernte vom anderen. Auch jetzt fällt wieder die Bemerkung, „dass wir es nur mit friedlichen Mitteln nicht geschafft hätten.“ Wenn einfach nur demonstriert wird, hört die Politik nicht hin. Für Wolfgang eine bittere Erfahrung.
Acht Jahre tobte die Auseinandersetzung um die gigantische Giftküche, die nach Aussage des damaligen Ministerpräsidenten F.J.Strauss nicht gefährlicher sein sollte als eine ‚Fahrradspeichenfabrik’. Was die Jüngeren nicht mehr wissen: Dragahn in Lüchow-Dannenberg war ebenfalls im Gespräch. Aber die Rechnung der Politiker ging nicht auf. Anstatt dass sich die Initiativen da und dort den schwarzen Peter gegenseitig zuschoben, unterstützten sie sich nach Kräften. Wolfgang Nowak war übrigens mit dabei, als die Wackersdorfer sich zum ‚Kreuzweg für das Leben’ auf den Weg machten und zu Fuss ein Holzkreuz nach Gorleben trugen. (Das ‚Gorlebener Gebet an den Kreuzen’ feiert in diesem Jahr übrigens sein 20-jähriges Bestehen)
Es ist also eine kleine Zeitreise, die wir heute unternehmen. Ein Gruppenfoto vor dem historischen Wackersdorfer ‚Marterl’ gehört natürlich dazu. Anschliessend werden wir von Klaus und Wolfgang zu einer deftigen Brotzeit ins Wirthaus eingeladen. Bei launigen Geschichten von früher lassen wir uns Schweinsbraten und Knödel schmecken. Vegetarisches gab es übrigens auch – wer immer also Lust bekommt, sich uns unterwegs noch anzuschliessen – nur zu!
Aber wollten wir nicht für den 5. September in Berlin mobilisieren?! Haben wir natürlich! Mit Flugis, Plakaten, Bonbons und ein bisschen Klamauk auf dem Schwandorfer Marktplatz. Übrigens: wir werden immer professioneller! Bei der Einfahrt in die Stadt München nutzt Gerd die Ampel-Halts, um durch das Fenster Flugblätter an die nebenstehenden Autofahrer zu reichen. Die Mädels von ‚Direkt’ tauschen mit ein paar netten Jungs sogar CDs: Radioauftritt ‚Direkt’ gegen Rock. An der nächsten Ampel picken wir dann auch noch ganz zufällig Dieter Metk auf. Gorleben ist eben überall!
In der ‚Seidl-Villa’ in Schwabing werden wir schon erwartet – mit Kartoffelsalat, bayerischem Leberkäs und Fleischpflanzerln. Und natürlich bekommen unsere GastgeberInnen schon eine kleine Kostprobe unseres Programms. Morgen früh geht es dann auf den Weissenburger Platz!
Vermisst ihr übrigens unsere lustigen Katastrophen-Geschichten? Ehrlich gesagt: wir nicht!