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Ein „Atommüll-Tsunami“ kommt auf uns zu
In der Freien Universität Berlin fand am 5. Juni eine Podiumsdiskussion statt, bei der die Frage: „Ökonomie der Endlagerung – wer zahlt die Zeche?“ im Zentrum stand. Die Veranstaltung ist Teil der Diskussionsreihe „Der Atomkonflikt in Deutschland – bis in alle Ewigkeit?“.
Gäste waren heute Jürgen Trittin, ehemaliger Bundesumweltminister, heute Mitglied des Deutschen Bundestages, Bündnis 90 / Die Grünen sowie Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
BI-Vorständlerin Lia Jahrens und Pressesprecher Wolfgang Ehmke nahmen an der Veranstaltung ebenfalls teil. Hier ihr Bericht:
Prof. Claudia Kemfert kritisierte die Ergebnisse der Kommissionsarbeit, die sich mit den Kosten des Rückbaus von Atomkraftwerken, der Konditionierung der Abfälle, der Zwischen- und Endlagerung von Müll befasst hatte. Unter Leitung des Grünen-Politikers Jürgen Trittin war ein öffentlich-rechtlicher Fonds eingerichtet worden, in den die Betreiber der Atomkraftwerke von den insgesamt 38,4 Mrd. steuerfreien (!) Rückstellungen, die sie im Laufe der Zeit für die Atommüllentsorgung ausgewiesen hatten, 24,1 Mrd. Euro eingezahlt haben. Für den Rückbau der Kraftwerke und die Konditionierung hätten die AKW-Betreiber 24,2 Mrd. Euro anvisiert. Aus Sicht von Jürgen Trittin war das ein akzeptables Ergebnis, denn die „Finanzierungspflicht der Verursacher bleibt“. Dem widersprach Claudia Kemfert, die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung seien nur geschätzt. Die Anlage der Gelder, die in den Fonds eingezahlt wurden, würden auch bei einer Verzinsung von rund 3 Prozent nicht reichen, es gäbe zu viele Unwägbarkeiten. Kemfert meint, die Konzerne hätten sich einen schlanken Fuß gemacht, die Gesellschaft zahle die Zeche, auf sie komme ein „Atomkosten-Tsunami“ zu.
Leider gab es trotz der konträren Ansichten zwischen den Vortragenden keine Debatte zwischen Trittin und Kemfert, kritische Fragen kamen aus dem Publikum. Es sei nicht einmal sicher, ob die AKW-Betreiber tatsächlich den Rückbau der Atomkraftwerke finanzieren können. Eine Kostenexplosion sei auch dort möglich. Durch Firmenabspaltungen – Beispiel Uniper, wo die Energieerzeugungssparten Wasser, Kohle und Gas von E.on zusammengefasst wurden und die Atomkraft outgesourct wurde – könnten die Firmen dann auch auf eine Insolvenz für diese Kraftwerkssparte hinarbeiten.
Trittin räumt auf Nachfrage aus dem Publikum ein, dass es bisher keine Pläne gibt, bis wann mit welchen Kosten bei der Endlagersuche zu rechnen ist. Der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung („Atomfonds“), dessen Kuratoriumsmitglied Trittin bekanntlich ist, fordere das allerdings vom Bundesumweltministerium. Er reagierte mit dieser Anmerkung auf Fragen aus dem Publikum: Ob es bei der Endlagersuche Rücksprünge geben kann, ob notwendige Forschungsprojekte gestartet werden, ob für vergleichende Untersuchungen bei klammen Haushaltskassen des Bundes genug Geld da ist oder am Ende nur auf Gorleben als Notnagel zurückgegriffen würde, hänge entscheidend davon ab.