Zwischen Zwischen – und Endlagerung
Am 9. Oktober besucht der parlamentarische Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, Chris Kühn, das Zwischenlager Gorleben. Wir laden deshalb zu einem öffentlichen Austausch und Infoabend ein, und zwar für den
9. Oktober Bauernstuben Trebel, von 18 – 20 Uhr.
Wir wollen mit Chris Kühn über das Thema „Zwischen Zwischen- und Endlagerung“ sprechen, zumal die Genehmigung für das Brennelement-Zwischenlager in Gorleben bereits 2034 ausläuft.
Die Endlagerung des Atommülls verzögert sich laut Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) noch um mehrere Jahrzehnte. Die ersten Genehmigungen für die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle laufen aus – in Gorleben bereits im Jahr 2034. Parteien und das BUMV müssen sich dringlichst mit dem Thema verlängerte Zwischenlagerung befassen. Im §6 Absatz 5 des Atomgesetzes heißt es:
„Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in kerntechnischen Anlagen nach Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 1 soll 40 Jahre ab Beginn der ersten Einlagerung eines Behälters nicht überschreiten. Eine Verlängerung von Genehmigungen nach Satz 1 darf nur aus unabweisbaren Gründen und nach der vorherigen Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen.“
Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) bereitet sich mit einem Forschungsprogramm auf diese Situation vor, das im April 2022 vorgelegt wurde. Inzwischen ist jedoch klar, dass die Herausforderungen an die Sicherheit und Sicherung der 16 Zwischenlager ganz andere sein werden als zu jenem Zeitpunkt gedacht. Da die Endlagersuche für die hochradioaktiven Abfälle deutlich länger dauern wird, muss das BGZ-Forschungsprogramm grundlegend überarbeitet werden. Der Chef der Genehmigungsbehörde BASE, Wolfram König, sagte gegenüber den Augsburger Allgemeinen (AA) zu diesem Themenkomplex: „Mit der Verlängerung der Endlagersuche über so einen Zeitraum hinweg ergeben sich sicherheitsrelevante Fragen, die jetzt zur Diskussion gestellt werden müssen: Sind die bisherigen Sicherheitsanforderungen auch für einen längeren Zeitraum als den bislang vorgesehenen ausreichend?“ (06.07.2023)
1. Die BGZ konzentriert sich auf das Behälterkonzept – Alterungsverhalten der Deckeldichtungen und der Druckschalter sowie die Wasserstoffversprödung des Hüllrohrmaterials. Sie bestreitet einen Forschungsbedarf für Brennelemente aus den Forschungsreaktoren und die verglasten hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung. 108 dieser Behälter (von insgesamt 113) stehen in Gorleben.
Wir fordern hingegen ein deutlich umfassenderes Forschungsprogramm, das die o.g. Abfälle mit einschließt. Mit Blick auf die wahrscheinlich über 100jährige Lagerzeit muss die Forschung auch den Zustand der Moderatorstäbe und der gusseisernen Behälter mit einbeziehen. Entscheidend wird sein, ob die Behälter samt Inventar nach der langen Lagerzeit noch transportfähig sind. Das Bundesumweltministerium kann die Forschung nicht der BGZ überlassen, sondern muss den notwendigen Forschungsbedarf selbst bestimmen und entsprechend komplettieren, u.a. auch als Peer Review Verfahren.
Es muss sichergestellt sein, dass Lagerbehälter jederzeit repariert werden können. Wir fordern die Offenlegung der Reparaturkonzepte, weil wir Zweifel an ihrer Belastbarkeit haben: Nirgendwo gibt es die einst angekündigten „mobilen heißen Zellen“! https://forum-zwischenlagerung.bgz.de/5433-2/
- Die BGZ behauptet auch, dass Alterungsmechanismen des Gebäudebestands kein Problem seien.
Die Gebäude müssen jedoch den neuen Anforderungen standhalten. Was kaum denkbar schien, ist jetzt Realität: es herrscht Krieg in Europa, die jetzigen Lagerhallen sind gegen kriegerische Einwirkungen nicht ausgelegt. Naheliegend ist eine Verbunkerung, wie sie im Ansatz in Lubmin vorgesehen ist https://www.ewn-gmbh.de/projekte/estral, und eine Doppelung der Sicherung auch durch das Gebäude, wie das ENTRIA fordert. https://www.lehmanns.de/shop/naturwissenschaften/39700290-9783658190392-zwischenlagerung-hoch-radioaktiver-abfaelle,S. 94 ff
Sie sind jedoch nicht einmal gegen Flugzeugabsturz (Brunsbüttel-Urteil) https://openjur.de/u/634933.html hinreichend ausgelegt, geschweige denn gegen neue Waffensysteme: Nach dem Brunsbüttel-Urteil haben Bund und Länder auch weiterhin den A380 nicht in die Lastannahmen aufgenommen! Wenn das Bundeskabinett jetzt atomare Notfallpläne erarbeitet, was zu begrüßen ist, dann muss auch ein Blick auf die Waffensysteme geworfen werden.
Was die Waffensysteme betrifft, so verweist die Physikerin Oda Becker u.a. auf „thermobarische Gefechtsköpfe“, von denen eine besondere Gefahr ausgeht, weil sie nicht nur extreme Druckwellen, sondern auch hohe Temperaturen erzeugen. Ihr Vortrag ist hier online: https://umweltfairaendern.de/2023/06/29/fachtagung-hochradioaktive-atommuelllagerung-laengere-lagerung-terrorgefahren-und-krieg-es-braucht-neue-sicherheitskonzepte-bmu-kuendigt-oeffentlichkeitsbeteiligung-an/
Wir fordern, da die Sicherung der Anlagen aus guten Gründen der Geheimhaltung unterliegen muss, ein „In-camera-Verfahren“, wie es der Bundesrat anlässlich der 17. Novelle des AtG ins Spiel gebracht hatte, das Vertreter:innen der Zivilgesellschaft eine Kontrollmöglichkeit ermöglicht, das läuft auf eine entsprechende Novelle des AtG hinaus. https://www.luther-lawfirm.com/newsroom/pressemitteilungen/detail/bundestag-beschliesst-17-novelle-des-atomgesetzes-regelungen-zur-nukleare-sicherung-terrorschutz-konkretisiert-streit-um-gerichtliche-ueberpruefbarkeit-von-schutzmassnah-men-bleibt
Wir fordern deshalb auch ein sofortiges Überflugverbot für die ZL.
- Die Entsorgungskommission (ESK) fordert zudem ein Regelwerk für die verlängerte ZL. https://www.entsorgungskommission.de/sites/default/files/reports/ESK_Positionspapier_verlaengerte_ZL_40plus_ESK105_23032023.pdf
Darin sehen wir einen ersten notwendigen Schritt. Die Zivilgesellschaft muss – vor dem Ingangsetzen der formalen neuen Genehmigungsverfahren – in den Fragen der Sicherheit und Sicherung der ZL in angemessener Form beteiligt werden. Kommunale Gremien, Umweltverbände und lokale Bürgerinitiativen treffen sich zu Austausch, Beratung. Das schließt auch eine gesicherte Finanzierung für wiss. Expertise ein, um die Arbeit der BGZ zu begleiten, zu komplettieren und nötigenfalls zu korrigieren.
i.A. Wolfgang Ehmke, BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.