AKW-Feuerwehren

Abwimmeln, abwiegeln, auflegen

Wie sicher sind deutsche Atommeiler? Bei einem AKW-Brand wären die Werksfeuerwehren die ersten, die vor Ort eine Eskalation verhindern müssten. Aber wie sind sie ausgestattet? Eine Anfrage bei den Löschtrupps der Kraftwerksbetreiber.

Hamburg – Sie sind die ersten Glieder der Kette: Kommt es in einem deutschen AKW zu einem Störfall, werden Krisenstäbe gebildet und Notfallpläne umgesetzt – ganz am Anfang ist die Werksfeuerwehr vor Ort. Es ist die Löschtruppe des AKW-Betreibers, die ein Feuer oder eine Explosion als erste unter Kontrolle bringen soll. Erst wenn die Situation zu einer Gefahr über die Grenzen des Kraftwerks hinaus zu werden droht, wird die öffentliche Feuerwehr hinzugezogen.

Wie sind die Werksfeuerwehren in den deutschen Meilern ausgestattet? Wie gut sind sie auf den Ernstfall vorbereitet? SPIEGEL ONLINE hat versucht, die Werksfeuerwehren der aktiven deutschen Atomkraftstandorte telefonisch zu erreichen. Doch Antworten auf die Fragen wollte niemand geben.

Vielmehr entstand der Eindruck, als wolle sich nach der Katastrophe von Fukushima keiner der Verantwortlichen zu den Sicherheitsmaßnahmen in deutschen Atommeilern äußern. Kein einziges AKW war bereit, einen Gesprächspartner aus den Reihen der Werksfeuerwehr zur Verfügung zu stellen, auch die Pressestellen waren wenig kooperativ. Statt Antworten: abwimmeln, abwiegeln, auflegen.

„Guten Tag. Wir suchen für SPIEGEL ONLINE nach einem Ansprechpartner aus der Werksfeuerwehr für ein Interview.“ Das ist der Satz, mit dem die Telefonzentralen, Pressestellen und Sicherheitsabteilungen der deutschen Atomkraftwerke am Telefon begrüßt wurden.

Vor lauter Fragen keine Zeit für Fragen

„Moment“, hieß es im Fall eines AKW, daraufhin wurde eine Hand vor den Hörer gehalten, eine Stimme sagte leise: „Sag ihm mal, er soll bei der Pressestelle anrufen.“

Stille. Schritte. Eine Frau: „Hören Sie? Rufen Sie bitte bei der Pressestelle an.“

Dort wand man sich nach den Reizworten „Interview“ und „Sicherheitsmaßnahmen“: „Ich würde Sie wirklich bitten, ein anderes AKW zu kontaktieren. Die Abwicklung der Sicherheitsmaßnahmen ist schließlich überall praktisch gleich.“ Bei den anderen deutschen Kraftwerken werde man sicherlich mit Informationen weiterhelfen. Mit dem Vorfall in Japan, so sagte die Sprecherin, habe ihre Nervosität nichts zu tun: „Aber ich kann mir vorstellen, was mir der Leiter unserer Werksfeuerwehr erzählt, wenn ich ihn frage und er nur das Wort ‚Medien‘ hört.“

Doch auch bei den anderen Kraftwerken war keine Bereitschaft zu spüren, mit Informationen weiterzuhelfen: Meist wurde die Verantwortung eilig weitergeschoben, wie etwa beim AKW Grohnde: „Da müssen Sie sich an die Zentrale in Hannover wenden. Die sind zuständig.“ Bei der Pressestelle versprach man, sich mit einem Ansprechpartner zurückzumelden – tat dies jedoch nicht. Genau wie in Gundremmingen, Philippsburg, Neckarwestheim und Brokdorf. An anderen Kraftwerken wurde auf Nummern verwiesen, hinter denen sich nur eine tote Leitung verbarg. Oder aber auf Kollegen, die gerade unerreichbar waren. Und es auch 24 Stunden lang blieben.

Interesse, die Öffentlichkeit zu informieren: „Nein, danke“

Die Begründungen für die Ablehnung wirkten zum Teil absurd. So erklärte der für den Werkschutz zuständige Mitarbeiter eines bayerischen AKW, er könne im Moment einfach keine Fragen beantworten, denn: „Leider geben unsere Ressourcen das im Moment nicht her. Wir sind hier momentan nämlich nur dabei, Fragen zu beantworten.“

Andernorts wurde der Interviewanfrage nur entgegengesetzt: „Pressemitteilungen darf ich nicht rausgeben.“ Oder: „Wir haben da keine Daten zu.“

Immer wieder wurde die Verantwortung von Abteilung zu Abteilung zu Abteilung verschoben, und nicht selten endete die Suche nach einem Ansprechpartner nach mehrfacher Weiterleitung dort, wo sie begonnen hatte. So ergaben sich mitunter unerwartete Wiederhören, wie bei der Pressestelle eines niedersächsischen Kraftwerks: „Guten Tag. Wir suchen für SPIEGEL ONLINE nach einem Ansprechpartner…“ – „Wir hatten doch schon telefoniert!“

Der Brandschutzbeauftragte eines norddeutschen Kernkraftwerks erläuterte immerhin noch: „Ich möchte mich aufgrund dessen, was ich so in den Zeitungen lese, dazu nicht äußern.“ Er wundere sich, wie widersprüchlich dort vieles klinge und wie viel Falsches geschrieben werde. „Außerdem bin ich nicht so medienerfahren. Trotzdem – viel Erfolg noch!“ Besonders knapp brachte ein Mitarbeiter des Kernkraftwerkes Isar das Interesse auf den Punkt, die Öffentlichkeit über das Vorgehen im nuklearen Notfall zu informieren: „Nein, danke.“

Wenige Stunden später wurde das Kraftwerk Isar 1 heruntergefahren.

Von Danny Kringiel